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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0035
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Die Reservearmee des Kapitals.

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sein will; ihr Bankkredit aber ist ebenfalls scbwach entwickelt,
da hier persönliche Kenntnis und genauer Einblick in die Art des
Umsatzes alles ausmacht; so ist denn der Kommissionär, der so-
wohl Geld wie Spezialkenntnis seiner Kunden besitzt, der gegebene
Kapitalhalter für sie. Da es sich um eine kurzfristige Stundung,
nur his zum Verkauf der rasch verderblichen Ware an den Kon-
sumenten, handelt, ist eine Gefahr der Kreditausbeutung hier
viel geringer, als wenn der Händler der Kreditgeber ist. Der
kleine und mittlere Metzger, dem der Viehkommissionär den
Hauptteil des benötigten mobilen Kapitals und das städtische
Schlachthaus mit den Kühlkammern den Hauptteil des fixierten
Kapitals hält, so daß er im Laden nur gerade noch einen Eisschrank
braucht, hat den Hauptvorteil von dieser Verschiebung der
Kapitalhaltung.

Daß die Macht, die diese Firmen gerade durch ihre vielseitigen
Dienste nach allen Seiten hin ausüben, auch zu Bedenken Anlaß
gibt, daß eine Ringbildung und eine willkürliche Beeinflussung
der Märkte nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeit liegt,
ist zuzugeben. Einstweilen ist aber für unsere, wie der Augenschein
ergibt, mangelhafte Organisation des Viehhandels und der groß-
städtischen Fleischversorgung der Kommissionär noch immer
der beste Verlaß. Daß man durch genossenschaftliche Viehbanken,
durch die Zentrale für Viehverwertung, durch Deckung von Eigen-
bedarf in großem Stile seine Herrschaft einzuschränken sucht,
ist durchaus wünschenswert, als Reservehalter des Kapitals für
kleine Betriebe aber dürfte er nahezu unersetzlich sein.

Ganz ähnlich liegen die Dinge im Buchhandel. Der Klein-
betrieb fiir Versorgung mit geistiger Nahrung und der mit leiblicher
Nahrung, der Sortimenter und der Metzger, lassen sich als typische
Mittelstandsbetriebe bei nur wenigen Großdetaillisten Punkt für
Punkt in ihrer volkswirtschaftlichen Stellung, in ihren Kapitalver-
hältnissen und in ihrer ökonomischen Gesinnung vergleichen. Auf
dem langen, stationenreichen Wege zwischen dem eigentlichen
Produzenten, dem Autor, und dem Konsumenten, dem Leser,
hat sich nun zwischen dem Großhändler, dem Verleger, und dem
Detaillisten, dem Sortimenter, der Kommissionär als unentbehr-
liches Zwischenglied eingeschoben. Dieser leistet seine Dienste
der Sammlung, Vermittlung, prompten Verteilung in um so größe-
rem Maße, als hier allmählich eine staunenswerte Konzentration, die
nur der Konzentration im Bankwesen vergleichbar ist, eingesetzt

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