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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0038
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Anmerkung.

Leider muß man ja bei der Mehrsinnigkeit des Begriffs ,,Ka-
pital“, die zuerst K. Knies samt den daraus hervorgehenden
Zweideutigkeiten und Diallelen klargelegt hat, sicli darüber äußern,
in welchen Bedeutungen man dieses Wort und die von ihm ab-
geleiteten Worte verwendet. Die Schuld hieran trägt nicht
K. Marx, der einen sozialen Begriff ,,Kapital“ als ,,historische Ka-
tegorie“ neben den ökonomischen gestellt hat, sondern die Sprache,
die feinfühlend, aber für den wissenschaftlichen Gebrauch oft
unbequem in psychologischen Analogien schwelgt, durch sie
das Gleichartige erfaßt, den Umfang der Begriffe unversehens
erweitert und damit schließlich ihren Sinn verschiebt. Die Yor-
teile, die sie uns durch solche Bereicherung und Anpassung ver-
schafft, sind so bedeutend, daß man die Nachteile einer gewissen
Doppelsinnigkeit in Kauf nehmen muß.

Die Sprache hat aus dem Idäupterbestand der sich ver-
jüngenden Herde (Cattle-Capitale im Englischen) zuerst die „zins-
tragenden Hauptsummen“ gemacht, was die alltägliche Haupt-
bedeutung von Kapital geblieben ist und als „Leihkapital“
jetzt wissenschaftlich im einzelnen und in der Zusammen-
fassung benannt wird. Die Sprache hat dann erwogen, daß man
bei rationeller wirtschaftlicher Überlegung die Betriebsmittel, die
in irgend einem wirtschaftlichen Betrieb Verwendung finden, ge-
sondert betrachtet und „Verzinsung“ von ihnen erwartet, auch
wo sie nicht entliehen sind, als ob sie es wären. Sie hat nach dieser
Analogie die Begriffe „Betriebskapital“, „stehendes und umlau-
fendes Kapital“ leider auch „Bodenkapital“ gebildet, sie redet
infolgedessen von „kapitalkräftig“ und „kapitalschwach“, sie hat
die Einzelkapitalien zum „Nationalkapital“ summiert.

Die Sprache hat dann wieder von neuem erwogen, in instink.
tivem Bewußtsein des Vorgangs, daß sich die Betriebsmittel von
ihrer Verwendung in der Arbeit- trennen, daß dieses Kapital zu
einer selbständigen Einkommensquelle wurde, und so machte sie
allmählich das „Kapital“ zu einer Bezeichnung für eine bestimmte
Besitzverteilung. Lange vor K. Marx hatte sie zuerst den,,Ka-
pitalisten“ geschaffen, wechselte ihn aus mit dem noch älteren
 
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