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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0039
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E. Gothein: Die Reservearmee des Kapitals.

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,,Rentner“ und nuancierte allmählich, da der „Leihkapitalist“
und der „Produktivkapitalist“ ihrem ästhetischen Feingefühl
widerstrebt hätten, diese beiden Begriffe nach jenen zwei Be-
deutungen. War erst einmal der „Kapitalist“ da, so wurde
hei seiner wachsenden Bedeutung auch der „Kapitahsmus“
und der „kapitalistische“ Betrieb geschaffen und erst das
,,große Kapital“, das „internationale Kapital“, dann „das
Kapital“ schlechthin im Gegensatz zur „Arbeit“ als eine soziale
Gruppe zusammengefaßt. Die Gelehrten: Turgot, Adam Smith,
K. Marx haben bei diesen Verschiebungen kräftig mitgeholfen,
aber sie haben der Sprache weit mehr gedient, indem sie ihre
Ausdrucksweise aufnahmen und festlegten, als daß sie sich ihr
aufgedrängt hätten.

Dieser unablässige Umwandlungs- und Anpassungsprozeß ist
auch noch nicht beendet. Schon redet man von der Arbeitskraft
als dem aufgesammelten oder erworbenen oder nutzbaren „Kapital
des Arbeiters“, schon ist „geistiges Kapital“ eine allgemeine
Redewendung geworden, obgleich man bis zum „geistigen Groß-
und Kleinkapitalisten“ oder gar zum Gegensatz von „Kapital
und Arbeit“ in geistiger Beziehung nicht gediehen ist, da wir uns
wohl auch beim Großbetriebe hier noch auf dem Stadium der
Bedarfsdeckungswirtschaft befinden, die dann freilich schon den
„geistigen Markt“ neben der „geistigen Fronarbeit“ zeigt. Wie
wäre es, wenn man die modernen Verlagsgeschäfte als „Fronhöfe
des Geistes“ definierte. Noch lehnt die Wissenschaft die Begriffe
„Arbeitskapital“ und „geistiges Kapital“ ab, weil das Verbindende,
das ,,tertium comparationis u zu schwach ist. Ob sie es immer
tun wird P 1

FBernach also mag es gerechtfertigt erscheinen, wenn ich
meinen Sprachgebrauch, der, wie ich annehme, mit dem
üblichen zusammenfällt, hier feststelle: Ich verwende das
Wort „Kapital“ samt „kapitalstark“ und „kapitalschwach“ außer
wenn ich etwa einmal vom „Großkapital“ spreche ausschließlich

1 Als ich diese Untersuchungen in der Akademie vortrug, führte so-
fort unser verehrter Sekretär Herr Königsberger geistreich aus, wie die
Begriffe „reguläre und irreguläre Reservearmee des Kapitals“ auch auf
dem Gebiet der Organisation der geistigen Arbeit Analogien fänden Wie
fruchtbar hierbei die Verwendung der ökonomischen Kategorien werden kann,
zeigen die schönen Untersuchungen W. Hellpachs über die geistige Ar-
beitsteilung. (Soziaies Archiv 1913.)
 
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