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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 1. Abhandlung): Über die grundsätzliche Unmöglichkeit einer Vereinigung von universeller Teleologie und Mechanismus — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33291#0011
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1. Wie man auch Kants eigene Stellung zum Problem der
Zweckmäßigkeit auffassen möge 1, jedenfalls lelirt der Neukantianis-
mus in allen seinen, unter sich bekanntlich recht verschiedenen
Formen, daß ,,Mechanismus“ und „Teleologie“ miteinander ver-
einbar seien, daß jener sozusagen im Dienste dieser stehe. Leib-
niz ist der eigentliche Vater dieses Gedankens. Die „mechanisti-
sche Seite“ der Lehre von der Vereinigung aber, wenn der Aus-
druck erlaubt ist, kann ihre stärkste Stütze in dem Satze des
Spinoza sehen, daß alles einzelne Wirkliche auch einen Modus
des Attributs Ausdehnung darstellen müsse, und das, obwohl
dem Spinoza selbst sowohl der Begriff des eigentlichen „Mechanis-
mus“ wie der Begriff des „Zweckes“ fremd ist. Spinoza lehrt,
kurz gesagt, das durchgängige Raumbezeichnetsein aller
Merkmale des Wirklichen.

Es ist die Aufgabe dieser Studie, zu zeigen, daß eine Vereini-
gung des Begriffs einer vollendeten Teleologie und der Lehre
vom durchgängigen Raumbezeichnetsein alles Wirklichen sachlich
nicht möglich ist, daß sie aber, wenn sie sachlich möglich wäre,
den Begriff des „Mechanismus“ aufheben, also nicht das sein würde,
für was sie sich in unseren Tagen ausgibt. Mit anderen Worten:
Diese Studie will die vollendete Unmöglichkeit einer Ver-
einigung von „Mechanismus“ und „Teleologie“ in jeder
Beziehung aufzeigen.

Das Wort „Teleologie“ ist im Titel und in diesen einleitenclen
Worten lediglich mit Rücksicht auf den Leser gebraucht worden;
der Leser soll von vornherein wissen, um was es sich ungefähr han-
delt; dazu dient der Gebrauch eines einmal eingebürgerten
Wortes. In meiner eigenen R.edeweise würde ich sagen, daß es
sich in dieser Arbeit um das Verhältnis von „Mechanismus“ zu
Ganzheit — (oder Einheit, oder „Individualität“) — handeln
solle, wobei das Wort „Ganzheit“ selbstredend sachliche und nicht
nur begriffliche Ganzheit bedeuten soll. Es soll also gezeigt wer-
den, daß eine „Vereinigung“ von „Mechanismus“ und Ganzheit
in jeder Beziehung durchaus unmöglich ist.

1 Ygl. meine Darstellung in „Der Vitalismus als Geschichte und als Lehre“
(1905), S. 62 ff.; s. a. die Zusätze zur italienischen und englischen Ausgabe.

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