Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I. 55
stehen, die ad hoc gemacht sind wie etwa die bekannten Beispiele
aus juristischen Kollegs. Wenn dagegen Anaximenes neben anderen
Reclnern auch seine eigenen Reden zitiert, so sind das ebenZitate,
und wir wissen, daß zweimal der Archidamos cles Isokrates, zitiert
wird, einmal die Demonicea 1, die nach den Bemerkungen von
Wendland 2 von A. selbst herzurühren scheint. Daß daneben auch
fiktive Beispiele, momentane Einfälle des Schreibers vorkommen,
stelle ich keineswegs in Abrede; besonders die mit otl eingeführten
machen diesen Eindruck, das oben angeführte jedoch nicht.
Wir wollen allerdings damit noch nicht behaupten, claß aus
unserer Rede gerade die im Papyrus erhaltene Stelle zitiert sei,
das müßte ein ganz merkwürdiger Zufall sein. Wohl aber klingt
der bei Anaximenes erhaltene Satz so, als stamme er aus dem
weiteren Verlaufe cler Rede, dem unser Fragment angehört. Frei-
lich ist damit noch nicht allzuviel gewonnen. Die Rede muß älter
sein als Anaximenes, der um 340 schreibt; sie kann nicht ganz un-
bedeutend gewesen sein, wie wir aus dem Umstand, daß wir den
Rest einer Abschrift besitzen, schon wissen konnten. Sie kann
von Anaximenes sein, vielleicht aber auch nicht. Das ist vor-
läufig alles.
Wir versuchen also von einer anderen Seite heranzukommen.
Welches ist der Streitfall ? Ist es ein privater oder ein öffentlicher
Prozeß ?
Sicher ist, daß wir eine Anklagerede vor uns haben, in der
zwei Angeklagten ein Betrug zur Last gelegt wircl. Weiter führt
der Terminus douoYpacpT), die als gesetzlich bezeichnet wird. An
sich jede vollständige Aufzeichnung wird A., wenn nicht ursprüng-
lich, so doch am häufigsten von dem Verzeichnis des Gutes gebraucht,
das sich zu Unrecht in Privatbesitz befindet oder auf das der
Staat infolge einer Forderung ein Anrecht hat. Dann bezeichnet
A. das Verzeichnis der eingezogenen Gegenstände (Lipsius a. a. 0.
II 1 S.302ff.; Thalheim bei PW. I 2822). Das kann hier nicht in
Betracht kommen, da nach. attischem Recht bei einer derartigen
1 Nicht fiktiv ist das Beispiel p. 1433 b 11, wo Euripides als Quelle
genannt ist. Aber auch p. 1422 b 22, wo Lysitheides, p. 1435 a 14, wo Timotheos
vorkommt, stammen aus wirklichen Reden, ebenso offenbar aus der gleichen
die beiden Beispiele aus den Verhandlungen von 396 (E. Meyer GdA. Y§ 796)
wegen einer Unterstützung der Syrakusaner p. 1436 b u. 1439 a 23, wo
jedoch das Pendantbeispiel: Schickt Itilfe: Schickt keine Iiilfe fiktiv zu sein
scheint.
2 Anaximenes v. L. Berlin 1905, S. 81 ff.
stehen, die ad hoc gemacht sind wie etwa die bekannten Beispiele
aus juristischen Kollegs. Wenn dagegen Anaximenes neben anderen
Reclnern auch seine eigenen Reden zitiert, so sind das ebenZitate,
und wir wissen, daß zweimal der Archidamos cles Isokrates, zitiert
wird, einmal die Demonicea 1, die nach den Bemerkungen von
Wendland 2 von A. selbst herzurühren scheint. Daß daneben auch
fiktive Beispiele, momentane Einfälle des Schreibers vorkommen,
stelle ich keineswegs in Abrede; besonders die mit otl eingeführten
machen diesen Eindruck, das oben angeführte jedoch nicht.
Wir wollen allerdings damit noch nicht behaupten, claß aus
unserer Rede gerade die im Papyrus erhaltene Stelle zitiert sei,
das müßte ein ganz merkwürdiger Zufall sein. Wohl aber klingt
der bei Anaximenes erhaltene Satz so, als stamme er aus dem
weiteren Verlaufe cler Rede, dem unser Fragment angehört. Frei-
lich ist damit noch nicht allzuviel gewonnen. Die Rede muß älter
sein als Anaximenes, der um 340 schreibt; sie kann nicht ganz un-
bedeutend gewesen sein, wie wir aus dem Umstand, daß wir den
Rest einer Abschrift besitzen, schon wissen konnten. Sie kann
von Anaximenes sein, vielleicht aber auch nicht. Das ist vor-
läufig alles.
Wir versuchen also von einer anderen Seite heranzukommen.
Welches ist der Streitfall ? Ist es ein privater oder ein öffentlicher
Prozeß ?
Sicher ist, daß wir eine Anklagerede vor uns haben, in der
zwei Angeklagten ein Betrug zur Last gelegt wircl. Weiter führt
der Terminus douoYpacpT), die als gesetzlich bezeichnet wird. An
sich jede vollständige Aufzeichnung wird A., wenn nicht ursprüng-
lich, so doch am häufigsten von dem Verzeichnis des Gutes gebraucht,
das sich zu Unrecht in Privatbesitz befindet oder auf das der
Staat infolge einer Forderung ein Anrecht hat. Dann bezeichnet
A. das Verzeichnis der eingezogenen Gegenstände (Lipsius a. a. 0.
II 1 S.302ff.; Thalheim bei PW. I 2822). Das kann hier nicht in
Betracht kommen, da nach. attischem Recht bei einer derartigen
1 Nicht fiktiv ist das Beispiel p. 1433 b 11, wo Euripides als Quelle
genannt ist. Aber auch p. 1422 b 22, wo Lysitheides, p. 1435 a 14, wo Timotheos
vorkommt, stammen aus wirklichen Reden, ebenso offenbar aus der gleichen
die beiden Beispiele aus den Verhandlungen von 396 (E. Meyer GdA. Y§ 796)
wegen einer Unterstützung der Syrakusaner p. 1436 b u. 1439 a 23, wo
jedoch das Pendantbeispiel: Schickt Itilfe: Schickt keine Iiilfe fiktiv zu sein
scheint.
2 Anaximenes v. L. Berlin 1905, S. 81 ff.