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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Aly, Wolfgang [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 2. Abhandlung): Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung: 1. Literarische Stücke — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33295#0057
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Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I. 57

Wir befinden uns nicht allzusehr im Anfang; das zeigt schon
das Ende des Rollenstückes. Die narratio liegt hinter uns; der
Redner ist im Begriff, die Suvajxu; des Verbrechens zu ent-
wickeln. Fünf gewöhnliche Arten des Betrugs führen zu der
Folgerung: Betrügen ist stehlen. In der Fücke mag die
Anwendung auf die Angeklagten gestanden haben, die keine ge-
wöhnlichen Delinquenten sind, sondern aus politischen Gründen
verfolgt werden. Auch sie sind Betrüger. Die letzten Worte
scheinen in der ersten Zeile von Kolumne 2 zu stehen: zic, sx.arspov
toutcov. Nun kommt der Gedankengang, der auf den Schluß
hinzielt: /As-tougi tt]v Stavotav, ein Satz, von dem wir annehmen
müssen, daß er ungefähr wörtlich in der Rede gestanden hat. Ob
in der zweiten Kolumne, ist mir sehr zweifelhaft, da wir mit der
Möglichkeit rechnen müssen, daß b 1 fast auf die Höhe von aI15
zu rücken ist. Dann waren also zuvor die beiden Angeklagten
einzeln besprochen: oüto^ ist der erste von beiden. Dieser trifft
Vorkehrungen —es steht nicht das Medium da —, clas Gesetze-
geben zu verstehen zugunsten der Verbrechen, d. h., wird er frei-
gesprochen, so ist das ein Präzedenzfall, der eine Interpretation
des Eisangeliegesetzes zugunsten der Verbrechen festlegt. Gleich-
zeitig klagt er dadurch die Verbrecher bei den Verbrechern an,
d. h., wenn sich die Richter auf den Standpunkt des Angeklagten
stellen, so machen sie sich mitschuldig. — So etwa kommt in die etwas
sehr spitzfindige Begründung ein Zusammenhang, wenn ich auch zu-
gebe, daß das Fragmentleider aneiner sehr kritischen Stelle abbricht.

Es ist keine besonders sympathische Art der Begründung,
die aus diesem Räsonnement hervorgeht. Die Schuld des Ange-
klagten wird, wie immer in politischen Prozessen, strafrechtlich
nicht so ohne weiteres faßbar gewesen sein. Daher die Neigung,
alles zum Schlimmeren und Schlimmsten zu drehen und dem
Angeklagten systematisch die Sympathien der Richter abzugraben.
Es ist nicht zu leugnen, daß der Redner das mit einer gewissen Ge-
wandtheit fertig bringt, vorausgesetzt, daß seine Deduktionen
im Zusammenhang des Textes leichter verständlich gewesen sind
als jetzt in diesem, zertrümmerten Zustande.

Man wird nun doch nach demVerfasser fragen; aber da wirbei
einem ptolemäischen Papyrus nicht einmal wissen, ob es einer der
zehn ist, so müssen wir uns bescheiden. Vielleicht war es Anaxi-
menes selbst, jedenfalls, wenn es mit dem Zitat seine Richtigkeit
hat, einer, der seiner Schule nahesteht, also ein Isokrateer. Das
 
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