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Hermann Stoeckius:
greifen der höchsten Instanz zur vollendeten Tat. Am 11. Januar
1555 wünschte Ignatius von Domenech Auskunft, ob man Otta-
viano nach Rom senden könne, auf keinen Fall aber schicke man
ihn nach Spanien. Sollte ihm jedoch der Bruder Ottaviano in
irgendeinem Kolleg irgendwie nützlich sein können, so könne
er ihn zurückhalten und erst im September nach Rom senden 306).
Am 10. Februar ließ Ignatius durch seinen Geheimsekretär dem
Domenech melden: es sei gut, wenn man Ottaviano senden
könne; beiBenutzung eines Getreideschiffes werde er bald in Ostia
sein können 307). Am 25. März ließ Ignatius dem Provinzial sagen:
falls man Ottaviano sicher senden könne, so könne er ihn nach
seinem Ermessen (nach Rom) senden; doch müsse er erst die
Wahl des neuen Papstes abwarten; sollte indes die Sedisvakanz
zu lange andauern und die große Junihitze eintreten, so sei es
besser, den September abzuwarten 308). Man fühlt aus diesen Be-
richten heraus: Ottavianos Reise nach Rom entspringt nicht den
Wünschen des Ordensstifters, sondern dem Willen einer fremden
Macht — dem Schiedsgericht. Fügte er sich auch diesem höheren
Willen, so tat er es doch nur zögernd, und vorallem suchte er eine
Begegnung des Jünglings mit den Eltern in Neapel auf jede nur
mögliche Weise zu verhindern. Er hätte vielleicht auch jetzt sein
Einverständnis vemveigert, hätte er nicht damit rechnen müssen,
daß sein Gegner Caraffa oberster Bischof würde. Er wollte für
jeden Fall freie Hancl behalten. Noch waren die Würfel nicht ge-
fallen. Konnte nicht ein Beschützer oder gar ein Freund des
jungen Ordens, der sich ja ,,Romano Pontifici“ zu unbedingtem
Gehorsam verpflichtet hatte, den Stuhl Petri besteigen ? Dann
würde ja Ignatius sein Prinzip hinsichtlich des Yerhältnisses seiner
Ordensstiftung zum Elternhaus einer vorübergehenden Ivonstel-
lation der herrschenden Gewalten durch voreilige Nachgiebigkeit
unnötigerweise zum Opfer gebracht haben. Aber war niclrt auch
das Gegenteil möglich ? Konnte es dem Ignatius verborgen sein,
daß der Kardinal von Neapel Aussicht auf die päpstliche Würde
hatte ? Eben dieser Kardinal war schon aus vergangenen Tagen
her nicht gerade sein Freund 309) und jetzt in diesem langwierigen
Rechtsstreite sein schärfster, schwer verletzter Gegner geworden.
306) Mon. Ign., I: Epp. et instr., VIII, n. 5085, p. 263. -—- 307) Mon. Ign.,
I: Epp. et instr., VIII, n. 5171, p. 390. —- 30S) Mon. Ign., I: Epp. et instr.,
VIII, n. 5289, p. 5 9 7. — 309) Polanco, Qiron., s. J. V, n. 23, p. 17 f.: Mon.
Ign., I: Epp. et instr., I, n. 11, p. 114ff.
Hermann Stoeckius:
greifen der höchsten Instanz zur vollendeten Tat. Am 11. Januar
1555 wünschte Ignatius von Domenech Auskunft, ob man Otta-
viano nach Rom senden könne, auf keinen Fall aber schicke man
ihn nach Spanien. Sollte ihm jedoch der Bruder Ottaviano in
irgendeinem Kolleg irgendwie nützlich sein können, so könne
er ihn zurückhalten und erst im September nach Rom senden 306).
Am 10. Februar ließ Ignatius durch seinen Geheimsekretär dem
Domenech melden: es sei gut, wenn man Ottaviano senden
könne; beiBenutzung eines Getreideschiffes werde er bald in Ostia
sein können 307). Am 25. März ließ Ignatius dem Provinzial sagen:
falls man Ottaviano sicher senden könne, so könne er ihn nach
seinem Ermessen (nach Rom) senden; doch müsse er erst die
Wahl des neuen Papstes abwarten; sollte indes die Sedisvakanz
zu lange andauern und die große Junihitze eintreten, so sei es
besser, den September abzuwarten 308). Man fühlt aus diesen Be-
richten heraus: Ottavianos Reise nach Rom entspringt nicht den
Wünschen des Ordensstifters, sondern dem Willen einer fremden
Macht — dem Schiedsgericht. Fügte er sich auch diesem höheren
Willen, so tat er es doch nur zögernd, und vorallem suchte er eine
Begegnung des Jünglings mit den Eltern in Neapel auf jede nur
mögliche Weise zu verhindern. Er hätte vielleicht auch jetzt sein
Einverständnis vemveigert, hätte er nicht damit rechnen müssen,
daß sein Gegner Caraffa oberster Bischof würde. Er wollte für
jeden Fall freie Hancl behalten. Noch waren die Würfel nicht ge-
fallen. Konnte nicht ein Beschützer oder gar ein Freund des
jungen Ordens, der sich ja ,,Romano Pontifici“ zu unbedingtem
Gehorsam verpflichtet hatte, den Stuhl Petri besteigen ? Dann
würde ja Ignatius sein Prinzip hinsichtlich des Yerhältnisses seiner
Ordensstiftung zum Elternhaus einer vorübergehenden Ivonstel-
lation der herrschenden Gewalten durch voreilige Nachgiebigkeit
unnötigerweise zum Opfer gebracht haben. Aber war niclrt auch
das Gegenteil möglich ? Konnte es dem Ignatius verborgen sein,
daß der Kardinal von Neapel Aussicht auf die päpstliche Würde
hatte ? Eben dieser Kardinal war schon aus vergangenen Tagen
her nicht gerade sein Freund 309) und jetzt in diesem langwierigen
Rechtsstreite sein schärfster, schwer verletzter Gegner geworden.
306) Mon. Ign., I: Epp. et instr., VIII, n. 5085, p. 263. -—- 307) Mon. Ign.,
I: Epp. et instr., VIII, n. 5171, p. 390. —- 30S) Mon. Ign., I: Epp. et instr.,
VIII, n. 5289, p. 5 9 7. — 309) Polanco, Qiron., s. J. V, n. 23, p. 17 f.: Mon.
Ign., I: Epp. et instr., I, n. 11, p. 114ff.