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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 8. Abhandlung): Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius: ein philologischer Beitrag zur Geschichte des Mönchtums — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33311#0012
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12

Richard Reitzenstein:

seinem βίος eine ähnliche Stellung einnimmt wie etwadie Eroberung
Britanniens in dem Leben des Agricola, ist damit abgeschlossen.

Eine Entwicklung des Helden ist dabei allerdings geschildert:
die zwanzigjährige Klausur hat für ihn eine bestimmte Bedeutung;
durch sie empfängt er offenbar die Wunderkraft, die ja nach Ru.fin
Zeichen des 'vollkommenen’ Mönches ist. Athanasius spricht das
nicht ausdrücklich aus. Jene drei Grundbegriffe der älteren
asketischen Literatur, τέλειος, πνευματικός und γνωστικός meidet er
offenbar mit Absicht. Dennoch erkennen wir die zugrunde liegende
Vorstellung leicht, wenn wir Parallelberichte wie den des Pytha-
goreers Arignotos bei Lukian (Philopseudes c. 34) über den Priester
Pachrates vergleichen: Εαυμάσιοςτήν σοφίανκαιτήν παιδείανπάσαν είδώς
τών Αίγυπτάον. έλέγετο δέ τρία καί είκοσιν έτη έν τοις άδύτοις ύπόγειος
ωκηκέναι, μαγεύειν παιδευόμενος ύπό τής ’Ίσιδος. Von seinen Wundern
hören wir gleich d.anach: έπεί δέ έώρων αύτόν .... έπί κροκοδείλων
όχούμενονκαί συννέοντατοΐς Εηρίοις, τά δέ ύποπτήσσοντακαί σαίνονταταΐς
ούραΐς, έγνων ίερόν τινα άνΕρωπον οντα. Athanasius, der auf solche
Anschauungen ja mit den oben angeführten Worten ώσπερ έν άδύτοις
έγκαταδυόμενος und προήλΕεν ώσπερ έκ τινος άδύτου μεμυσταγωγη-
μένος καί Εεοφορούμενος verweist, zeigt, d.aß Lukian nicht freier
Erfind.ung, sondern einem literarischen Vorbilde folgt. In Ägypten
herumziehende Wundertäter haben sich tatsächlich gerühmt, in
jahrelanger Klausur in unterirdischen Zellen von Gott das ge-
heimnisvolle Wissen und damit die Wunderkraft erlangt zu haben.
Die Volksvorstellung, die sich hieraus entwickelt und in Erzäh-
lungen darstellt, wirkt notwendig auch auf die Christen und wirkt
auf Athanasius, ganz ebenso wie jene andere ägyptische Volksvor-
stellung, d.aß die Wüste der Sitz der bösen Geister und das eigent-
liche Reich des Schadengottes Seth od.er Typhon, des Gegners des
guten Gottes und Herrn des Fruchtlandes 1, ist. Die lebendige
Überzeugung, daß Satan und seine Scharen liier ihre Hochbu.rg
haben, hier allein ihre volle Kraft entfalten und, wenn sie hier
überwunden werden, ihre Ohnmacht knirschend erkennen müssen,
gibt dem allgemeinen Dämonenglauben der Zeit bei Athanasius
die individuelle Färbung und gibt mit Notwendigkeit dem 'Mönch-

1 An sich ist die Vorstellung, daß die Wüste Aufenthalt oder Reich der
bösen Geister ist, natürlich bei vielen orientalischen Völkern nachzuweisen
und ließe sich auch aus den Evangelien rechtfertigen oder ableiten. Allein
bei Athanasius beherrscht sie derartig die ganze Empfindung, daß sie nicht
durch irgendwelche Reflexion gewonnen sein kann, sondern notwendig den
Rückhalt an einem Volksempfinden haben muß.
 
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