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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 8. Abhandlung): Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius: ein philologischer Beitrag zur Geschichte des Mönchtums — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33311#0013
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Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius.

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tum’ die eigentliche Schätzung gegenüber der in der Welt geübten
Askese 1. Sie ist nur die Vorstnfe und Voraussetzung für
jenes größere Heldentum, das den Gottesstreiter erst in
seiner Vollendung zeigt. Die innere Entwicklung, welche dieser
erste Teil der Biographie zu schildern scheint, ist nicht eine rein
seelische, wie Holl anzunehmen scheint. Eine solche Schilderung
zu geben, hat das Altertum überhaupt nicht vermocht; es schildert
das äußere Werden, die große Tat und den fertigen Charakter.
Mehr will und kann auch Athanasius nicht bieten. Hat er doch
nicht wie Augustin eine Umwandlung zu schildern; sein Held ist
von Anfang an gläubiger Christ. So bedarf der βίος die Schilderung
des äußeren Geschehens, nicht des inneren Werdens. Stellt man
ihn unter diesen Gesichtspunkt, so ist bisher alles in den Haupt-
zügen planmäßig, ja kunstvoll angelegt. Das Idealbild des 'Mön-
ches’ zugleich als den Archegeten und Begründer des Mönchtums
erscheinen zu lassen, lag dem antiken Denken, das überall nach
εύρεταί sucht, noch unendlich viel näher als dem unseren. Der
Natur der Sache nach war es selbst für Athanasius unmöglich, zu
ermitteln, wer in den weiten Wüstenstrecken zu beiden Seiten des
lang sich dehnenden Landes zuerst als christlicher Anachoret
gelebt und einzelne Nachahmer um sich versammelt habe. Aber
wissen konnte er, daß in der letzten großen Verfolgung schon
Anachoreten aufgetreten waren und einzelne sich sogar als Bekenner
ausgezeichnet hatten 2. Er wußte ferner, daß Antonius damals
schon in vorgerücktem Alter und eine in seinen Kreisen namhafte
Persönlichkeit war. So lag es nahe, ihn zum 'Erfinder’ des Möncli-
tums zu machen und die Erzählung von dieser 'Erfindung’ fast
dramatisch zu gestalten. Wir können sogar noch erkennen, welche
Vorlage sich Athanasius dafür nahm. Nur ist ein kurzer Umweg
dabei unvermeidlich.

Ich machte früher schon beiläufig auf die Widersprüche

1 Die πολιτεία des Mönches richtet sich gegen den Satan, es ist ein
πολιτεύεσ-9-αί, κατ’αύτοΰ, vgl. p. 880 B, 885 A, 888 C.

2 Das Martyrium des Paphnutius hat sich jetzt in einem Papyrus des
fünften Jahrhunderts wiedergefunden (Papiri greci e latini Vol. I,1912,Nr. 26).
Daß es novellistisch ausgestaltet ist, würde an sich nicht gegen die Geschicht-
lichkeit des Ereignisses sprechen. Nur die falsche Auffassung der Märtyrer-
akten als Urkunden machte diesen Schluß notwendig. Ich freue mich, daß
das soeben gefundene Anfangsstück des zweiten der drei heidnischen Martyrien
(Oxyrh. Pap. X Nr. 1242) das voll bestätigt: die Verhandlung vor Trajan
ist geschichtliche Tatsache, der Bericht trotz seiner Annäherung an die Akten-
form noveilistisch aufgeputzt, und selbst das Wunder fehlt nicht.
 
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