Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius.
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storben und als Gottwesen wiedergeboren ist, einen neuen Leib
erhält, der sich freilich nicht sehen noch fassen läßt. Gerade daß
sich alle Züge der Vorstellung Rufins in der älteren asketischen
Literatur und der heidnischen Mystik (z. B. bei dem Alchemisten
Zosimus) nachweisen lassen, macht es mir auffällig, daß von diesem
ganzen Bilde des christlichen Übermenschen und Wundertäters
so wenig bei Athanasius wiederkehrt. Selbst der Vergleich mit
den Engeln fehlt; auf das nachdrücklichste wird hervorgehoben,
daß Antonius die irdische Speise nicht entbehren kann (c. 45);
er bleibt durchaus Mensch. So hat es für mich eine besondere
Bedeutung, wenn in der großen Lehre des Mönchslebens, zu der
ich nun endlich zu.rückkehre, so eindringlich davor gewarnt wird,
den Wundern Gewicht beizumessen und die Stufe, welche der
einzelne Asket erreicht hat, nach ihnen zu beurteilen. Wir wissen
ja aus dem Briefe an Dracontius (c. 7 u. 9), daß man auch in den
Mönchskreisen, die dem Athanasius nahestehen, von dem Mönch,
aber nur von ihm, erwartet, daß er Wunder tut. Nimmt er ein
Kirchenamt an, kehrt also in die Welt zurück, so hat er nicht mehr
Anspruch auf diese Begnadung; sie erhebt ihn über den Kleriker,
wie der Besitz des Geistes nach früherer Anschauung den Be-
kenner über den Kleriker erhob 1. Die Mahnung an unserer Stelle
hat für Athanasius hohe Bedeutung. Die Wundersucht seiner
Mönche will er bekämpfen, und durch sein ganzes Werk geht die
Tendenz, die Mönchserzählung über den einfachen Wunderbericht
zu erheben und wahre sittliche und menschliche Größe zu zeigen.
Ganz ähnlich sucht ja auch Philostratus die Wunder seiner Helden
möglichst gegenüber der Schilderung seiner Seelenverfassung
zurücktreten zu lassen. Es ist ganz undenkbar, daß Athanasius
die Wundererzählungen in diesem Teile seiner Biographie selbst
erfunden oder auch nur selbst zuerst das Material zusammen-
getragen hat. Er nimmt sie auf, weil er ihnen den Glauben nicht
versagen will, aber er sorgt vorher dafür, ihren Bericht in seinem
Sinne unschädlich zu machen. Selbst die drei Visionsberichte
(c. 60, 65, 66) sind zwar in seinem Sinne erzieherisch ausgestaltet
1 Es ist sehr charakteristisch, daß Athanasius dort zwar hervorhebt
οΐδαμεν καΐ σημεΐα ποιοϋντας έπισκόπους, μοναχούς δέ μή ποιουντας
(c. 9 ρ. 533 Α Migne), zugleich aber auf die Wunder der Seelsorge gegenüber
den äußeren Heilwundern allen Wert legt (c. 7). Auch hier legt er übrigens alles
Gewicht auf die Askese selbst (vgl. im βίος ’Αντωνίου c. 84 p. 961 A); sie ist
offenbar auch ihm das Entscheiden de, während der Mönch schon ein bestimmtes
Standesgefühl hat.
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storben und als Gottwesen wiedergeboren ist, einen neuen Leib
erhält, der sich freilich nicht sehen noch fassen läßt. Gerade daß
sich alle Züge der Vorstellung Rufins in der älteren asketischen
Literatur und der heidnischen Mystik (z. B. bei dem Alchemisten
Zosimus) nachweisen lassen, macht es mir auffällig, daß von diesem
ganzen Bilde des christlichen Übermenschen und Wundertäters
so wenig bei Athanasius wiederkehrt. Selbst der Vergleich mit
den Engeln fehlt; auf das nachdrücklichste wird hervorgehoben,
daß Antonius die irdische Speise nicht entbehren kann (c. 45);
er bleibt durchaus Mensch. So hat es für mich eine besondere
Bedeutung, wenn in der großen Lehre des Mönchslebens, zu der
ich nun endlich zu.rückkehre, so eindringlich davor gewarnt wird,
den Wundern Gewicht beizumessen und die Stufe, welche der
einzelne Asket erreicht hat, nach ihnen zu beurteilen. Wir wissen
ja aus dem Briefe an Dracontius (c. 7 u. 9), daß man auch in den
Mönchskreisen, die dem Athanasius nahestehen, von dem Mönch,
aber nur von ihm, erwartet, daß er Wunder tut. Nimmt er ein
Kirchenamt an, kehrt also in die Welt zurück, so hat er nicht mehr
Anspruch auf diese Begnadung; sie erhebt ihn über den Kleriker,
wie der Besitz des Geistes nach früherer Anschauung den Be-
kenner über den Kleriker erhob 1. Die Mahnung an unserer Stelle
hat für Athanasius hohe Bedeutung. Die Wundersucht seiner
Mönche will er bekämpfen, und durch sein ganzes Werk geht die
Tendenz, die Mönchserzählung über den einfachen Wunderbericht
zu erheben und wahre sittliche und menschliche Größe zu zeigen.
Ganz ähnlich sucht ja auch Philostratus die Wunder seiner Helden
möglichst gegenüber der Schilderung seiner Seelenverfassung
zurücktreten zu lassen. Es ist ganz undenkbar, daß Athanasius
die Wundererzählungen in diesem Teile seiner Biographie selbst
erfunden oder auch nur selbst zuerst das Material zusammen-
getragen hat. Er nimmt sie auf, weil er ihnen den Glauben nicht
versagen will, aber er sorgt vorher dafür, ihren Bericht in seinem
Sinne unschädlich zu machen. Selbst die drei Visionsberichte
(c. 60, 65, 66) sind zwar in seinem Sinne erzieherisch ausgestaltet
1 Es ist sehr charakteristisch, daß Athanasius dort zwar hervorhebt
οΐδαμεν καΐ σημεΐα ποιοϋντας έπισκόπους, μοναχούς δέ μή ποιουντας
(c. 9 ρ. 533 Α Migne), zugleich aber auf die Wunder der Seelsorge gegenüber
den äußeren Heilwundern allen Wert legt (c. 7). Auch hier legt er übrigens alles
Gewicht auf die Askese selbst (vgl. im βίος ’Αντωνίου c. 84 p. 961 A); sie ist
offenbar auch ihm das Entscheiden de, während der Mönch schon ein bestimmtes
Standesgefühl hat.