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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 8. Abhandlung): Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius: ein philologischer Beitrag zur Geschichte des Mönchtums — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33311#0036
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36

Richard Reitzenstein:

die άρετή: sie ist die τελεί,ότης φύσεως άν-8'ρώπου 1). Eine andere
philosophische Quelle liegt zugrunde.

Die Askese heißt gleich im Eingang und zuletzt im Schluß
des Werkes (p. 844 B und 973 C) wie noch an vielen anderen Stellen
ή πρός άρετήν όδός 2, und der Begriff der άρετή tritt hei Athanasius
so stark wie nirgends sonst in der älteren Mönchsliteratur hervor.
Nur bei ihm bedeutet άρετή ausschließlich die sittliche Vollendung 3,
in der Historia Lausiaca und der griechischen Fassung der Historia
monachorum ist sie zugleicli, ja sogar überwiegencl die Wunder-
kraft, die aus der Vollendung folgt 4. In der lateinischen Fassung
(Rufinus) ist virtus direkt die Wundertat; clie Wendungen virtutes
facere oder edere gibt der griechische Bearbeiter abwechselnd durch
δυνάμεις έπί,τελεΐν oder σημεΐα ποί,εΐν wieder.

In seltsamem Gegensatz zu diesen der Philosophie entlehnten
Vorstellungen steht der eigentümliche Gedanke des Dämonen-
kampfes, dessen volkstümliche Wurzel ich oben (S. 12) schon
flüchtig erwähnte, weil er mit der Grundtendenz des Werkes, die
Asketen in die Wüste zu ziehen, eng zusammenhängt. Von sitt-
lichen Versuchungen spricht Athanasius dabei fast gar nicht;
seine Dämonen sind Schaden- und Plagegeister, die den Mönch
erschrecken, ja körperlich verletzen können, daß er wie tot zu
Boden sinkt (vgl. in der Erzählung c. 8, in der Predigt c. 40); nur
wirklich töten können sie ihn nicht. Man fühlt sich bei der Beschrei-
bung an jene angebliche Schrift des Priesters Nephotes an clen Ivönig
Psammetich (Wessely, Griech. Zauberpapyri, Abh. d. Wiener
Akad. 1888 S. 48, Z. 154 ff.) erinnert, die schildert, wie der Krieger
des Gottes Seth wie tot daliegt, nieclergeschlagen von den Feinden

1 Vgl. die 'pythagoreische’ Definition bei Stobaeus III 1, 115 (p. 66, 13
Hense): άρετά έντι άνΐΐρώπω τελεί,ότας φύσιος άν-8-ρώπω. So ist der ένάρετος, von
dem Athanasius gleich handelt ό έν τω κατά φύσί,ν έστώς (vgl. oben S. 14, 15).
Der gleiche Grundbegriff durchwaltet Predigt und Erzählung.

2 Der Ausdruck kehrt ähnlich bei Jamblich 109 (aus Nicomachus)
wieder: καΐ δι,ά τής τροφής άρχόμενος είς άρετήν όδηγεΐν τούς άνθ-ρώπους (vgl.

§ 96 aus derselben Quelle οί ύπ’ αύτοΰ όδηγούμενοι). Aus anderen älteren
Mönchserzählungen notierte ich mir ή πνευματική όδός, ή πρός θεόν όδός, πρός
-9-εόν όδεύεω.

3 Er kann άρετή und σημεϊα einander direkt entgegenstellen, vgl. c. 38
p. 900 A: τοΐς μή έν άρετή, άλλ’ έν σημείοις καυχωμένοις.

4 Aus ähnlicher Anschauung entspringt die Bezeichnung signa virtutis
z. B. in den Wundererzählungen Augustins (vgl. De civ. dei XXII 8 anti-
quis similia divinarum signa virtutum. Synonym ist miracula).
 
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