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Richard Reitzenstein:
immer größerer Zahl die Askese auf sich nahmen. Aber die gleiche
Askese kann, wie die Mönchsgeschichte zeigt, zu allen Zeiten
auch der Laie auf sich nehmen; die Erinnerung an die frühere
Entwicklung ließ sich gar nicht beseitigen, und eine wirkliche
Unterwerfung des asketischen Pneumatikers unter die kirchliche
Autorität hat zunächst auch nicht stattgefunden. Das zeigt schon
Euagrius * 1. Auch konnte die christliche Philosophie gar nicht ver-
hindern, daß, sobald dieAskesein der άπόταξις und augenfälligeren
Übungen stärker zutage trat und die Phantasie der Menge be-
schäftigte, die alten, im wesentlichen gnostischen Vorstellungen,
die ja zumTeil von der Philosophie nur umgebogen und ins Geistige
erhoben waren, wieder auflebten.
Doch bevor ich diese Entwicklung verfolge, wird es gut sein,
Eusebius zu betrachten. Das Asketentum ersclieint bei ihm be-
kanntlich einerseits als der άποστολί,κός βίος — wobei seltsamer-
weise immer auf die erste bedeutungslose Apostelentsendung 2
Bezug genommen wird — andrerseits als der φιλόσοφος βίος. Aus-
schließlich letzterem ist die Terminologie entnommen, welche
Sprache und Begriffe der späteren Askese schon fast vollständig
bietet 3. Selbst die άναχώρησις, das freiwillige Entweichen in die
Alexandria unterscheidet von der Menge der Ivleriker die καταξιω&έντες τοϋ
πνευματικοΰ χαρίσματος, die christlichen Lehrer, wie die Fortsetzung zeigt, die
mit dem χάρισμα σοφίας καί yvLa^G^begabt sind. Schwartz schließt (S. 173 A. 1)
daraus, daß dies höchste aller χαρίσματα, das auch nach ihm durch die Askese
bedingt ist, in dieser Zeit dem Klerus reserviert ist. Ich weiß nicht, ob mit
Recht. Der Bischof kann an dieser Stelle von etwaigen mit dem χάρισμα be-
gabten Laien gar nicht reden; die Kirche hat ja für sie keinen offiziellen
Rang und Platz und unterscheidet sie nicht. So begreiflich es ist, daß der
lehrende Kleriker, um nicht hinter dem Laien-Asketen zurückzustehen, die
Askese auf sich nimmt, er beruft sich für seinen Anspruch nicht auf das Amt,
und zu aller Zeit hat es innerhalb und außerhalb der Kirche ganze Gemeinden
gegeben, die ganz aus Pneumatikern und Asketen bestehen wollten (vgl.
Eusebius Kirchengesch. IV 23,7 p. 376,3 Schwartz und dazu Zeitschr. f. d.
neutestamentl. Wissenschaft 1914 S. 66 A.). Ein faktischer oder gar formeller
Ausschluß der Laien ist ganz undenkbar.
1 Vgl. z. B. Gnosticus § 116 (Frankenberg, Euagrius Ponticus, Abhandl.
d. Gött. Gesellsch. d. Wissensch. XIII 2 S. 547): nurwenn die Ivleriker fragen,
soll der Gnostiker ihnen enthüllen, was die von ihnen vollzogenen heiligen
Handlungen eigentlich bedeuten und bewirken.
2 Nur sie bot die äußeren Züge des Lebens der späteren asketischen
Missionare und ermöglichte den Anschluß.
3 Ich vergleiche aus der Beschreibung der φιλοσοφία, also Askese, des
Origenes (VI 3,9 ff. p. 526,23 Schw.) nur διά πάσης μέν ήμέρας ού σμικρούς
Richard Reitzenstein:
immer größerer Zahl die Askese auf sich nahmen. Aber die gleiche
Askese kann, wie die Mönchsgeschichte zeigt, zu allen Zeiten
auch der Laie auf sich nehmen; die Erinnerung an die frühere
Entwicklung ließ sich gar nicht beseitigen, und eine wirkliche
Unterwerfung des asketischen Pneumatikers unter die kirchliche
Autorität hat zunächst auch nicht stattgefunden. Das zeigt schon
Euagrius * 1. Auch konnte die christliche Philosophie gar nicht ver-
hindern, daß, sobald dieAskesein der άπόταξις und augenfälligeren
Übungen stärker zutage trat und die Phantasie der Menge be-
schäftigte, die alten, im wesentlichen gnostischen Vorstellungen,
die ja zumTeil von der Philosophie nur umgebogen und ins Geistige
erhoben waren, wieder auflebten.
Doch bevor ich diese Entwicklung verfolge, wird es gut sein,
Eusebius zu betrachten. Das Asketentum ersclieint bei ihm be-
kanntlich einerseits als der άποστολί,κός βίος — wobei seltsamer-
weise immer auf die erste bedeutungslose Apostelentsendung 2
Bezug genommen wird — andrerseits als der φιλόσοφος βίος. Aus-
schließlich letzterem ist die Terminologie entnommen, welche
Sprache und Begriffe der späteren Askese schon fast vollständig
bietet 3. Selbst die άναχώρησις, das freiwillige Entweichen in die
Alexandria unterscheidet von der Menge der Ivleriker die καταξιω&έντες τοϋ
πνευματικοΰ χαρίσματος, die christlichen Lehrer, wie die Fortsetzung zeigt, die
mit dem χάρισμα σοφίας καί yvLa^G^begabt sind. Schwartz schließt (S. 173 A. 1)
daraus, daß dies höchste aller χαρίσματα, das auch nach ihm durch die Askese
bedingt ist, in dieser Zeit dem Klerus reserviert ist. Ich weiß nicht, ob mit
Recht. Der Bischof kann an dieser Stelle von etwaigen mit dem χάρισμα be-
gabten Laien gar nicht reden; die Kirche hat ja für sie keinen offiziellen
Rang und Platz und unterscheidet sie nicht. So begreiflich es ist, daß der
lehrende Kleriker, um nicht hinter dem Laien-Asketen zurückzustehen, die
Askese auf sich nimmt, er beruft sich für seinen Anspruch nicht auf das Amt,
und zu aller Zeit hat es innerhalb und außerhalb der Kirche ganze Gemeinden
gegeben, die ganz aus Pneumatikern und Asketen bestehen wollten (vgl.
Eusebius Kirchengesch. IV 23,7 p. 376,3 Schwartz und dazu Zeitschr. f. d.
neutestamentl. Wissenschaft 1914 S. 66 A.). Ein faktischer oder gar formeller
Ausschluß der Laien ist ganz undenkbar.
1 Vgl. z. B. Gnosticus § 116 (Frankenberg, Euagrius Ponticus, Abhandl.
d. Gött. Gesellsch. d. Wissensch. XIII 2 S. 547): nurwenn die Ivleriker fragen,
soll der Gnostiker ihnen enthüllen, was die von ihnen vollzogenen heiligen
Handlungen eigentlich bedeuten und bewirken.
2 Nur sie bot die äußeren Züge des Lebens der späteren asketischen
Missionare und ermöglichte den Anschluß.
3 Ich vergleiche aus der Beschreibung der φιλοσοφία, also Askese, des
Origenes (VI 3,9 ff. p. 526,23 Schw.) nur διά πάσης μέν ήμέρας ού σμικρούς