68 R. Reitzenstein: Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius.
Doch den Philologen interessiert ja vor allem der Schrift-
steller als solcher, und auch er kann den Blick wohl fesseln. Wir
sahen: den ersten Teil wird er in den wesentlichsten Zügen frei
nach dem literarischen Vorbild erfunden haben und schaltet mit
vollster Freiheit auch in der Mahnrede, die diesen Teil krönt.
Auch für den zweiten Teil war das ihm vorliegende Material dürftig
und lückenhaft. Die Möglichkeit, hieraus ein Bild zu gestalten,
das im ganzen doch innere Wahrheit hat, dankt Athanasius der
entwickelten Kunstform der antiken Biographje. Der enge An-
schluß an sie hat ihm die Notwendigkeit und die Freiheit des
ergänzenden Nachschaffens gegeben. Er schließt sich ihr mit einer
gewissen Feinheit des Empfindens an, so ungeschickt, ja hilflos
er in der schriftstellerischen Ausführung der Einzelheiten ist.
Ich brauche auf Stellen wie die Beschreibung des Heraustretens
aus der Klausur (c. 14), die Schilderung seines Verhaltens beim
Essen (c. 45) oder den banalen Charakter des Anfangs der Malin-
rede (c. 16—19) oder der Abschiedsrede an die Vertrauten (c. 91)
kaum zu verweisen. Die früher so beliebte Behauptung, der unge-
schickte und schriftstellerisch mangelhaft gebildete Autor müsse
vom Zwange der literarischen Form freier sein als der geschulte
Literat, läßt sicli kaum schlagender widerlegen. Gerade der schrift-
stellerisch so gewandte Hieronymus ist in dem glänzend geschrie-
benen und innerlich leeren und nichtigen Leben des Hilarion von
der überlieferten Form viel freier. Für keine Epoche läßt es sich
sachlich rechtfertigen und begründen, wenn man die christliche
Literatur ohne Berücksichtigung oder Kenntnis der heidnischen
darzustellen versucht.
Daß ich in dieser Überzeugung mit K. Holl voll zusammen-
treffe und nur in der Auffassung von Einzelheiten abzuweichen
brauche, ist mir bei ihrer Darlegung eine tiefe Freude gewesen.
Möge nun die άγα-θ-ή ερις herausstellen, \vie weit jeder von uns
beiden in ihnen Becht behält, wie weit wir beideirrten: έκ μέρους
γινω σκομεν.
Doch den Philologen interessiert ja vor allem der Schrift-
steller als solcher, und auch er kann den Blick wohl fesseln. Wir
sahen: den ersten Teil wird er in den wesentlichsten Zügen frei
nach dem literarischen Vorbild erfunden haben und schaltet mit
vollster Freiheit auch in der Mahnrede, die diesen Teil krönt.
Auch für den zweiten Teil war das ihm vorliegende Material dürftig
und lückenhaft. Die Möglichkeit, hieraus ein Bild zu gestalten,
das im ganzen doch innere Wahrheit hat, dankt Athanasius der
entwickelten Kunstform der antiken Biographje. Der enge An-
schluß an sie hat ihm die Notwendigkeit und die Freiheit des
ergänzenden Nachschaffens gegeben. Er schließt sich ihr mit einer
gewissen Feinheit des Empfindens an, so ungeschickt, ja hilflos
er in der schriftstellerischen Ausführung der Einzelheiten ist.
Ich brauche auf Stellen wie die Beschreibung des Heraustretens
aus der Klausur (c. 14), die Schilderung seines Verhaltens beim
Essen (c. 45) oder den banalen Charakter des Anfangs der Malin-
rede (c. 16—19) oder der Abschiedsrede an die Vertrauten (c. 91)
kaum zu verweisen. Die früher so beliebte Behauptung, der unge-
schickte und schriftstellerisch mangelhaft gebildete Autor müsse
vom Zwange der literarischen Form freier sein als der geschulte
Literat, läßt sicli kaum schlagender widerlegen. Gerade der schrift-
stellerisch so gewandte Hieronymus ist in dem glänzend geschrie-
benen und innerlich leeren und nichtigen Leben des Hilarion von
der überlieferten Form viel freier. Für keine Epoche läßt es sich
sachlich rechtfertigen und begründen, wenn man die christliche
Literatur ohne Berücksichtigung oder Kenntnis der heidnischen
darzustellen versucht.
Daß ich in dieser Überzeugung mit K. Holl voll zusammen-
treffe und nur in der Auffassung von Einzelheiten abzuweichen
brauche, ist mir bei ihrer Darlegung eine tiefe Freude gewesen.
Möge nun die άγα-θ-ή ερις herausstellen, \vie weit jeder von uns
beiden in ihnen Becht behält, wie weit wir beideirrten: έκ μέρους
γινω σκομεν.