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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 10. Abhandlung): Eine etymologische Deutung von griech. Anthropos — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34069#0010
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10

H. Güntert:

masken mit Bärten versehen. Plato und seine Schüler wurden
wegen ihrer iangen Bärte verspottet. Bekanntlich fingen erst zur
Zeit der Diadochen die makedonischen, eleganten Offiziere an,
das seither so sorgsam gepflegte Attribut der Männhchkeit wegzu-
rasieren: auch darin hat Aiexander d. Gr. seiner Zeit neue Gesetze
gegeben, da seine Offiziere es natüriich ibm in seiner Haar- und
Barttracht nachtaten:
Der feine Griff und der rechte Ton
Das iernt sich nur um des Feidherrn Person.
Da seibstverständiicb die Leutnants für die elegante Geseilschaft
tonangebend waren, so herrschte seit jener Zeit in der vornehmen
griechischen, dann auch der römischen Weit die Sitte, das Gesicht
giatt zu rasieren, bis Kaiser Hadrian, der mancheriei Schönheits-
fehler zu verbergen hatte, den Voilbart wieder salonfähig machte
(Cass. Dio 68, 15, 5); nur die Phiiosophen, die ruppigen Kyniker
insbesondere, scherten sich nicht um Modegesetze und hatten
die ganze Zeit über ihren Stoiz an einem recht iangen, struppigen
Phiiosophenbart. Allein zumZeichenderTrauer pfiegtendieRömer
in kiassischer Zeit sich den Bart stehen zu iassen. Auch bei anderen
idg. Völkern herrschte in alter Zeit die Sitte, iange Haare und
iangen Bart sich wachsen zu iassen (vgi. ScHRADER Reali. d. Idg.
Altertumsk. 315).
Übrigens gait irn Mittelalter und der Neuzeit oft ein strup-
piger Volibart ais Zeichen von wiidem Barbarentum. Was
hatte z. B. Peter d. Gr. für eine Not, seine Russen zum Abrasieren
ihrer großen Bärte zu bewegen; selbst eine Bartsteuer wolite nicht
heifen. In den 30 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sah
gar manche deutsche Regierung einen schneidigen Bart ais einen
unzweifeihaften Beweis für eine ailzu revoiutionäre oder mindestens
demokratische Gesinnung an, und mancher Beamte ist damais
nach dem Ausiand ausgewandert, weil er lieber seinem Vateriande
den Rücken kehren, ais sich auf höheres Kommando des stolz
gepflegten Zeichens seiner Männlichkeit berauben woilte^. —
Aber wir müssen noch einen Schritt weiter gehen: in der
alten Zeit, wo die sprachliche Prägung von άνθ-ρωπος erfolgie, war
mit dem Barte noch ein gut Stück ,,Aberglauben" verbunden,

^ Schon der altspartanische Eid verlangte (Plut. Kleom. 9): κείρεσ-&<χί
τδν μΰστκκοί xod προσέχείν τοΐς νόμοίς.
 
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