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G. A. Gerhard:
Wenn er kommt, zieht er über eine schöne Wiesenfläche, und wohin
er geht, bezeichnet üppiges Gras seine Spur'.
tn der Regel aber war nun die großartige Anschauung des
uralten Volksglaubens aHmählich in die Brüche gegangen. Nur
die Nachtseite der Doppelerscheinung, dieTotenklage, blieb noch
lebendig, mußte jedoch, isoliert \vie sie war, notwendig der Ver-
kümmerung und falschen Deutung verfahen. Was sollte es heißen,
wenn jetzt Dämonen oder gar Götter ohne die Aussicht eines
neuen Auflebens starben oder auf Nimmerwiedersehn fortzogen ?
Schon im ausgehenden Altertum hatte man zur Lösung des Rätsels
gelehrte Mythologen bemüht. Vom Standpunkt des Christentums,
das jenen VerfaH des primitiven Bewußtseins mindestens be-
günstigen, wenn nicht geradezu mit veranlassen mußte, bot sich
wiederum (wie bereits zu den Zeiten der Väter) die Auffassung an,
die wir dort die kirchenpohtische nannten: Christi Iireuz war's,
das die heidnischen Elementargeister in den Tod trieb; das christ-
iiche Beten und Läuten, das sie aus der Mitte der Menschen ver-
jagte. Das ließ man sie selber bekümmert gestehen und etwa beim
Abzuge singen:
Evangeeln, Klokken onn Klangen,
dat verdrefft uns uten Landent
Bisher sah es so aus, als gehe der Tod der Dämonen nur diese
selbst an. Man muß nun aber von vornherein annehmen, daß
die Trauer in Wahrheit mindestens zugleich auch die Menschen
berührt, ja daß sie im Grunde ausschheßhch von ihnen empfunden
und den Geistern nur beigelegt wird.
Klar und eigentümdich kommt das beiderseitige Verhältnis
in den arabischen ParaHeien zum Ausdruck. In der ersten, bereits
früher zitierten Erzählung, die LiEBRECHT (Gervas. S. 180f.) mit
HERBELOT nach dem Historiker Ben Schonah, FRAZER, S. 8 mit
RoBERTSON SniTH^ nach Ibn al-Athir anführt, erheben schon
die Dämonen unter wilden Trauergebärden (z. T. an einem be-
nachbarten Kirchhof) den Ruf: 'der große König der Dschinn ist.
gestorben: Unglück für dieses Land!', und es verbreitet sich 'die
geheimnisvolle Drohung, jede Stadt, die den toten Dschinn-
i MüLLENHOFF, 8. 316 f. Nr. 428, vgl. WoLF, S. 326 und BüscHiNG,
8. 101.
3 W. RoBERTSON SviTH, *ZeciM7'es on Rcü'glon o/ Hie ^emüee.* in
8TÜBES autorisierter deutscher Übersetzung ('Die Religion der Semiten'),
1899, 8. 317.
G. A. Gerhard:
Wenn er kommt, zieht er über eine schöne Wiesenfläche, und wohin
er geht, bezeichnet üppiges Gras seine Spur'.
tn der Regel aber war nun die großartige Anschauung des
uralten Volksglaubens aHmählich in die Brüche gegangen. Nur
die Nachtseite der Doppelerscheinung, dieTotenklage, blieb noch
lebendig, mußte jedoch, isoliert \vie sie war, notwendig der Ver-
kümmerung und falschen Deutung verfahen. Was sollte es heißen,
wenn jetzt Dämonen oder gar Götter ohne die Aussicht eines
neuen Auflebens starben oder auf Nimmerwiedersehn fortzogen ?
Schon im ausgehenden Altertum hatte man zur Lösung des Rätsels
gelehrte Mythologen bemüht. Vom Standpunkt des Christentums,
das jenen VerfaH des primitiven Bewußtseins mindestens be-
günstigen, wenn nicht geradezu mit veranlassen mußte, bot sich
wiederum (wie bereits zu den Zeiten der Väter) die Auffassung an,
die wir dort die kirchenpohtische nannten: Christi Iireuz war's,
das die heidnischen Elementargeister in den Tod trieb; das christ-
iiche Beten und Läuten, das sie aus der Mitte der Menschen ver-
jagte. Das ließ man sie selber bekümmert gestehen und etwa beim
Abzuge singen:
Evangeeln, Klokken onn Klangen,
dat verdrefft uns uten Landent
Bisher sah es so aus, als gehe der Tod der Dämonen nur diese
selbst an. Man muß nun aber von vornherein annehmen, daß
die Trauer in Wahrheit mindestens zugleich auch die Menschen
berührt, ja daß sie im Grunde ausschheßhch von ihnen empfunden
und den Geistern nur beigelegt wird.
Klar und eigentümdich kommt das beiderseitige Verhältnis
in den arabischen ParaHeien zum Ausdruck. In der ersten, bereits
früher zitierten Erzählung, die LiEBRECHT (Gervas. S. 180f.) mit
HERBELOT nach dem Historiker Ben Schonah, FRAZER, S. 8 mit
RoBERTSON SniTH^ nach Ibn al-Athir anführt, erheben schon
die Dämonen unter wilden Trauergebärden (z. T. an einem be-
nachbarten Kirchhof) den Ruf: 'der große König der Dschinn ist.
gestorben: Unglück für dieses Land!', und es verbreitet sich 'die
geheimnisvolle Drohung, jede Stadt, die den toten Dschinn-
i MüLLENHOFF, 8. 316 f. Nr. 428, vgl. WoLF, S. 326 und BüscHiNG,
8. 101.
3 W. RoBERTSON SviTH, *ZeciM7'es on Rcü'glon o/ Hie ^emüee.* in
8TÜBES autorisierter deutscher Übersetzung ('Die Religion der Semiten'),
1899, 8. 317.