Der Tod des großen Pan.
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Dies Urteii ließ sich hier lediglich andeuten und bieibt an
gelegenerem Ort ausführlich zu rechtfertigen. Im Augenblick
handeit sichA darum, ob sich die Totenkiage, weiche wir unab-
hängig aus der Panlegende erschlossen, mit jener andern be-
reits früher für den Tragödienursprung angenommenen pas-
send vereinigt und der Erklärung von sich aus neue Stützen
verschafft.
Auf den ersten Blick scheinen die beiderseitigen Tatsachen
weit auseinander zu liegen. Hier geht die Klage um den Dämon
des Wachstums und wird nur einbildungsweise gedacht, dort gilt
sie einem menschlichen Heros und tritt dem Auge sichtbar ent-
gegen. Das Nebeneinander von Vegetations- und Totenkult, wie
es ja auch bei Dionysos zuträfe, begründet man gewöhnlich mit
dem Hinweis, es liege ein gleichzeitiger Natur- und Seelengott
vor, wie denn A. DiETERiCH^ auch die Satyrn geradezu als Toten-
geister auffassen wollte. Unsere Untersuchung liefert uns, auch
außerhalb dieses Gesichtspunktes, Analogien, geeignet den Uber-
gang begreiflich zu machen. Wie wir sahen, kam die Totenklage
äußerlich aus dem Mund der Dämonen, im Grunde jedoch aus
dem Herzen der durch das winterliche Natursterben hart ge-
troffenen Menschen. Da versteht man es leicht, daß sich die
Menschen gedrängt fühlten, selbst im Gewande der Geister die
Trauer sichtbar zur Aufführung zu bringen. Die Form der Klage
bot von vornherein menschlichen Zuschnitt, indem die Dämonen
ihre Könige und Ahnherrn beweinten. Was lag nun näher, als daß
im Anschluß daran auch die Menschen trauernd der eigenen Ahnen
und Fürsten gedachten, und daß man mit zunehmendem Schwinden
der alten Begriffe den Ritus allmählich nur noch als eine Erinne-
rungsfeier für die Heroen empfand ?
Licht fällt auch auf die schwierige Frage, wo und wie der
Keim des eigentlich Dramatischen ansetzte. NiLSSON meinte,
von Anfang an wenig wahrscheinlich, als maßgebenden ersten
υποχρί,της den Toten selbst, den nachher als gestorben zu beklagenden
Gott erweisen zu sollen. Unser Material zeigt nach anderer Rich-
tung. Offenbar waren es zunächst die Verwandten, die Angehörigen
des geschiedenen Großen, als deren Darsteller sich bestimmte
i A. DiETERiCH, Die Entstehung der Tragödie: Archiv für Reiigions-
wissenschaft XI, 1908, S. 172 f. (= Kieine Schriften S. 421); dagegen NiLssoK
a. O. S. 617.
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Dies Urteii ließ sich hier lediglich andeuten und bieibt an
gelegenerem Ort ausführlich zu rechtfertigen. Im Augenblick
handeit sichA darum, ob sich die Totenkiage, weiche wir unab-
hängig aus der Panlegende erschlossen, mit jener andern be-
reits früher für den Tragödienursprung angenommenen pas-
send vereinigt und der Erklärung von sich aus neue Stützen
verschafft.
Auf den ersten Blick scheinen die beiderseitigen Tatsachen
weit auseinander zu liegen. Hier geht die Klage um den Dämon
des Wachstums und wird nur einbildungsweise gedacht, dort gilt
sie einem menschlichen Heros und tritt dem Auge sichtbar ent-
gegen. Das Nebeneinander von Vegetations- und Totenkult, wie
es ja auch bei Dionysos zuträfe, begründet man gewöhnlich mit
dem Hinweis, es liege ein gleichzeitiger Natur- und Seelengott
vor, wie denn A. DiETERiCH^ auch die Satyrn geradezu als Toten-
geister auffassen wollte. Unsere Untersuchung liefert uns, auch
außerhalb dieses Gesichtspunktes, Analogien, geeignet den Uber-
gang begreiflich zu machen. Wie wir sahen, kam die Totenklage
äußerlich aus dem Mund der Dämonen, im Grunde jedoch aus
dem Herzen der durch das winterliche Natursterben hart ge-
troffenen Menschen. Da versteht man es leicht, daß sich die
Menschen gedrängt fühlten, selbst im Gewande der Geister die
Trauer sichtbar zur Aufführung zu bringen. Die Form der Klage
bot von vornherein menschlichen Zuschnitt, indem die Dämonen
ihre Könige und Ahnherrn beweinten. Was lag nun näher, als daß
im Anschluß daran auch die Menschen trauernd der eigenen Ahnen
und Fürsten gedachten, und daß man mit zunehmendem Schwinden
der alten Begriffe den Ritus allmählich nur noch als eine Erinne-
rungsfeier für die Heroen empfand ?
Licht fällt auch auf die schwierige Frage, wo und wie der
Keim des eigentlich Dramatischen ansetzte. NiLSSON meinte,
von Anfang an wenig wahrscheinlich, als maßgebenden ersten
υποχρί,της den Toten selbst, den nachher als gestorben zu beklagenden
Gott erweisen zu sollen. Unser Material zeigt nach anderer Rich-
tung. Offenbar waren es zunächst die Verwandten, die Angehörigen
des geschiedenen Großen, als deren Darsteller sich bestimmte
i A. DiETERiCH, Die Entstehung der Tragödie: Archiv für Reiigions-
wissenschaft XI, 1908, S. 172 f. (= Kieine Schriften S. 421); dagegen NiLssoK
a. O. S. 617.
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