Studien zur Yorgeschiehte des deutschen Voiksnamens.
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meinen Eindruck auf die Zeitgenossen gemacht, wie die vorüber-
gehende Besetzung Roms durch die Goten Aiarichsh Aliein auch
in diesem Augenblicke gab es einen Standpunkt, von dem aus
betrachtet sich das Unerhörte als alltäglich, das Ungeheure als
gleichgültig darstelite, für den der gewaitige Umschwung der
Gegenwart verschwand vor dem Gedanken eines durch keinen Um-
schwung zerreißbaren lebendigen Zusammenhanges zwischen den
äußersten Enden der Vergangenheit und der Zukunft. Für den
Bürger der civitas Dei hatten alle Siege der Barbaren nicht rnehr
Gewicht, ais die Wechseifälie der civitas terrena, des Inbegriffes
der weltlichen Historie, überhaupt. Blieb doch auch jetzt wie
immerdar eben jener uralte 'Gottesstaat' aufrecht: das im Juden-
tum vorbereitete Christentum, dem schon derzeit in der Kirche
ein so großartiger Ausbau zuted geworden. Gab es doch einen
Namen, stark genug, selbst das nomen Romanum wie zu über-
fiügeln, so zu überdauern. Quid nominatius Christo, ruft Augu-
stinus aus, cujus nomen ubique jam fragrat, in cujus domibus,
id est ecclesiis, habitat gentium iatitudo ? Aufs wunderbarste
sieht er die Prophezeiung des Jesaias erfüllt: et in nomine ejus
gentes sperabunt; und Sein getreuer Schüler Orosius wirft aus-
drücklich die Frage auf, ob nicht etwa deswegen allein der Ein-
bruch der Barbaren in die römischen Grenzen verordnet sei, um
die christiichen Iiirchen mit Hunnen, Sueven, Vandalen und Bur-
gundern anzufüllen: ja vielieicht hätten nur so, allerdings auf
Kosten des Reiches, tantae gentes zur Erkenntnis der Wahrheit
gelangen könnenk
Auch eine Geschichtsauffassung, die sich von ailer geistiichen
Zwecklehre freihält, wird im Christentum jedenfalis die wirksamste
i Vg'l. GREGORovius, Gesch.der StadtRom P, 155ft. Als universalhistori-
sche Epoche hat von den Späteren nur Flavius Blondus das Ereignis von 410
gewählt; jedoch mit der taktvollen Unterscheidung, daß damit erst die in-
clinatio Romani imperii beginne, während dessen oCcasus frühestens 476 an-
zusetzen sei (hist. decad. I i. 1). RANKE versuchte neuerdings, das Faktum
selber vom Standpunkt der Reichsgeschichte aus durch politische Kombi-
nation völlig umzudeuten, muß ihm jedoch den symboiischen Wert auch so
belassen (Weltgs. IV, 1 S. 246f.). Den immerhin beträchtiichen Einfluß der
gotischen Einnahme auf die Stadt als soiche läßt u. a. das Aufhören der Bei-
setzung in den Katakomben erkennen (s. MoMMsnN, Die Katakomben Roms.
Im neuen Reich. 1871, I, 128).
^ Augustin. d. civ. D. XVI, 2; XX, 30 (rasche Ausbreitung des nomen
Christianum II, 3); Oros. h. VII, 41, 8.
Sitzungsberichted.Heidelb. Akad., phil.-hist.KI. 1916. 8-Abh. 4
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meinen Eindruck auf die Zeitgenossen gemacht, wie die vorüber-
gehende Besetzung Roms durch die Goten Aiarichsh Aliein auch
in diesem Augenblicke gab es einen Standpunkt, von dem aus
betrachtet sich das Unerhörte als alltäglich, das Ungeheure als
gleichgültig darstelite, für den der gewaitige Umschwung der
Gegenwart verschwand vor dem Gedanken eines durch keinen Um-
schwung zerreißbaren lebendigen Zusammenhanges zwischen den
äußersten Enden der Vergangenheit und der Zukunft. Für den
Bürger der civitas Dei hatten alle Siege der Barbaren nicht rnehr
Gewicht, ais die Wechseifälie der civitas terrena, des Inbegriffes
der weltlichen Historie, überhaupt. Blieb doch auch jetzt wie
immerdar eben jener uralte 'Gottesstaat' aufrecht: das im Juden-
tum vorbereitete Christentum, dem schon derzeit in der Kirche
ein so großartiger Ausbau zuted geworden. Gab es doch einen
Namen, stark genug, selbst das nomen Romanum wie zu über-
fiügeln, so zu überdauern. Quid nominatius Christo, ruft Augu-
stinus aus, cujus nomen ubique jam fragrat, in cujus domibus,
id est ecclesiis, habitat gentium iatitudo ? Aufs wunderbarste
sieht er die Prophezeiung des Jesaias erfüllt: et in nomine ejus
gentes sperabunt; und Sein getreuer Schüler Orosius wirft aus-
drücklich die Frage auf, ob nicht etwa deswegen allein der Ein-
bruch der Barbaren in die römischen Grenzen verordnet sei, um
die christiichen Iiirchen mit Hunnen, Sueven, Vandalen und Bur-
gundern anzufüllen: ja vielieicht hätten nur so, allerdings auf
Kosten des Reiches, tantae gentes zur Erkenntnis der Wahrheit
gelangen könnenk
Auch eine Geschichtsauffassung, die sich von ailer geistiichen
Zwecklehre freihält, wird im Christentum jedenfalis die wirksamste
i Vg'l. GREGORovius, Gesch.der StadtRom P, 155ft. Als universalhistori-
sche Epoche hat von den Späteren nur Flavius Blondus das Ereignis von 410
gewählt; jedoch mit der taktvollen Unterscheidung, daß damit erst die in-
clinatio Romani imperii beginne, während dessen oCcasus frühestens 476 an-
zusetzen sei (hist. decad. I i. 1). RANKE versuchte neuerdings, das Faktum
selber vom Standpunkt der Reichsgeschichte aus durch politische Kombi-
nation völlig umzudeuten, muß ihm jedoch den symboiischen Wert auch so
belassen (Weltgs. IV, 1 S. 246f.). Den immerhin beträchtiichen Einfluß der
gotischen Einnahme auf die Stadt als soiche läßt u. a. das Aufhören der Bei-
setzung in den Katakomben erkennen (s. MoMMsnN, Die Katakomben Roms.
Im neuen Reich. 1871, I, 128).
^ Augustin. d. civ. D. XVI, 2; XX, 30 (rasche Ausbreitung des nomen
Christianum II, 3); Oros. h. VII, 41, 8.
Sitzungsberichted.Heidelb. Akad., phil.-hist.KI. 1916. 8-Abh. 4