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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0075
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Studien zur Vorgeschichte des deutschen Yolksnamens. 75
dem großen fränkischen Reiche an; es war ein Reichstag Karls
des Großen, auf dem sich ihre Vertreter 788 begegneten: es wäre
ein leichtsinniges Verfahren, woilten wir der Erörterung der natio-
nalen Anschauungen dieser Zeit noch unbesehen Vorstellungen
vom Volkstum zugrundelegen, wie sie etwa bei den Kriegsgefährten
Afarichs im Schwange waren. Vielmehr erscheint es unerläßlich,
zuvor die aflgemeine Entwicklung der nationalen Idee im Abend-
lande vom 5. bis zum 9. Jahrhundert mit stetem Hinbfick auf den
Sprachgebrauch in ihren Grundzügen in Erinnerung zu bringen. In
die weiten Hallen der Monarchie der Merovinger und Karolinger
ziehen an der Hand der Geschichte die alten, wohlbekannten
gentes ein; unter dem zerfallenden Gewölbe des stolzen Reiches
treten dagegen neue Volksgebilde hervor, in denen wir die werden-
den modernen Nationen erbficken müssen. Wie diese Umwandlung
wirkfich geschehen, ließe sich nur in einem umfassenden Werke
darsteflen; wie sie möglich gewesen, wie sie im ganzen zu denken
und nicht zu denken sei: diesen Fragen dürfen wir nicht aus dem
Wege gehen, wo es sich um den Ursprung des deutschen Namens
handeft.
Die erste wichtige Tatsache, die sich uns da aufdrängt, ist
der universale Sieg des gentilen Gedankens über die völkerfeind-
fiche Idee des Weltstaates; ein Sieg, der keineswegs auf dem
Schfachtfeld allein zu erfechten war. Auch der Waffen beraubt,
in den Staub gestürzt, behauptete das antike imperium noch eine
gefährfiche Übermacht des Geistes. Der Westgotenkönig Athaulf,
der die Größe des Gegensatzes zwischen ethnischem und römischem
Wesen vollkommen ermaß, meinte doch am Ende mit den Seinen
im Dienste des nömen Romanum, das er ursprünglich zu bewäl-
tigen gehofft, solideren Ruhm suchen zu müssenh Zu ihrem Glücke
wurden jedoch die Westgoten hernach auf die Bahn selbständiger
Politik zurückgedrängt. Dagegen haben bei den Ostgoten die
Amaler ernsthafter den bedenklichen Versuch erneut, das eigene
Volkstum dem vollständig konservierten Römerstaat auf dem
Wege der Zivilisierung anzubequemen. Von Theoderich dem
Großen selber wird man freilich annehmen müssen, daß er sich
auch positiv mit Stolz als Beherrscher seiner gens — was sein Name
besagt — gefühft habe; er gab den Anstoß zur Abfassung eitner
Gotengeschic-hte, in der neben dem Preise seines Hauses doch auch

^ S. die berühmte Steile des Oros. VII, 43, 5 sq.
 
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