Metadaten

Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0076
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
76

ALFRED DOVE:

von dem Rnhme der gens Gothorum unendlich viel zu iesen stand^.
AHein er faßte die Aufgabe dieser seiner thiuda so gut wie seine
eigene eben auch in dem Sinne einer freiwillig auszuübenden gen-
tilen Wehrpflicht zum Besten der respublica Romana^ und mußte
es dann geschehen lassen, daß in dem völlig römisch gehaftenen
Kanzleistil eines Cassiodor seine reichsfreundliche Tendenz noch
entschiedener ins unethnische, ja bisweilen ins antiethnische um-
gedeutet ward. Durchblättert man die überall schwülstigen, aber
auch fast immer geistreichen Staatsschreiben, welche der fetztere
im Namen der Amaler entworfen, so empfängt man den lebhafte-
sten Eindruck von der wunderlich verrenkten Lage der nationafen
\Trhältnisse.
Gleich das erste Aktenstück^, der Brief Theoderichs an Kiaiser
Anastasius, enthält in dem Satze regnum nostrum imitatio vestra
est; qui quantum vos sequimur, tantum gentes alias anteimus
gleichsam das Thema, welches in allen folgenden bis ins unendliche
variiert erscheint. Jene fmitation des Kaisertums hat zur Folge,
daß der gesamte Apparat der offiziellen Redensarten des Römer-
reiches auf die gotische Krone übertragen wird, während die
Gothica gens als solche nur sehr spärliche und fast schüchterne
i Daß schon in dem cassiodorischen Original des Jordanis die gens
Gothorum der Sache Avie dem Namen nach dieselbeRolle gespielt, wie in
den Getica des fetzteren, unterliegt keinem Zweifeh Dennoch erscheint mir,
nach dem Gesamteindruck der Variae zu urteilen, die Gotenliebe Cassiodors
nur als unumgängliche Höflichkeit gegen das Königshaus, dem er wirklich
aufrichtig angehangen. Auch in der bekannten Äußerung über sein eigenes
Geschichtswerk (Var. IX, 25) ist qui vestri principis nationem docuit ab
antiquitate mirabilem von der Herkunft Athalarichs in abstraktem Sinne,
nicht etwa von der gotischen Nation zu verstehen; das gotische \"olkstum
der Amaler wird eher hinwegkompiimentiert durch die Phrase originem
Gothicam historiam fecit esse Romanam. Ob Jordanis im Herzen eine wesent-
lich echtere gotische Gesinnung gehegt, ist schwer zu sagen; jedenfalls aber
darf man seinen Mangel an gentilem Patriotismus nicht mit WATTENBACH
(Geschichtsqu. R, 73 vgh 71) auf das 'Blut der Amafer' schieben, ein Mißver-
ständnis von Get. 266, das nach dem Texte der MoMMSENHchen Edition nicht
mehr statthaft ist.
3 Die eigentfiche Idee Theoderichs wird sich von dem zweiten Programm
des Athaulf (bei Orosius a. a. O.) kaum merklich entfernt haben.
^ Var. I, 1. Daß übrigens Cassiodor die romanistische Doktrin zwar
übertrieben, aber keineswegs auf eigene Hand erfunden und vorgetragen hat,
lehrenparallefeWendungen, ^vie dieBezeichnung Theoderichs als propagator
Romani nominis, domitor gentium in der Inschrift von Terracina. Vgl. DAHN,
Könige II, 165; III, 21; 254ff.; 303ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften