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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0078
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78

ALFRED DOVE:

den ebenfalls romanisierenden Neigungen ergebenen Iiönig Gundo-
bad es offen als ein Ziel für Burgund hin, propositum gentile depo-
nere, die barbarisch-nationale Lebensweise abzulegen.
Ailein es geschah zum fetztenmal im Okzident, daß dergestait
das ethnische Prinzip von dem kosmopolitischen Geiste der römi-
schen Kuitur an der Wurzei bedroht ward. Die Ostgoten freiiich
fanden aus solcher Verirrung keinen anderen Ausweg, als den rühm-
iichen Untergang im Kampfe für die wiederbeiebte nationaie Idee;
Gassiodor hat nocli seiber die Prokiamation aufsetzen müssen, in
welcher der zur Verteidigung der volkstümlichen Sache erkorene
König Vitigis den Seinen — zu spät — das Gelöbnis zurief: ad
gentis utilitatem respiciet omne, quod agimusP Unter den übrigen
Vöikern zeigen zunächst die Westgoten auch in dieser Hinsicht
ein eigentümlich widerspruchsvolles Verhaiten, wie es ihre Reichs-
geschichte iiberhaupt charakterisiert. In der Staatssprache von
Toledo wird neben der ansgeprägtesten imperiaien Redeweise
gleichzeitig die gentile Theorie, wenn man so sagen darf, mit unge-
wölmlicher Schärfe betont. Wenn im Eide des Königs — sic
Deus Gothorum gentem et regnum usque m finem seculi conser-
vare dignetur — Voik und Reich der Goten eng verknüpft erschei-
nen, so tritt andernorts die Nation ais solche mit und neben ihrem
Herrscher ausdrücklich als Inhaberm des Staates und seiner Hoheit
hervor. Das \uerte Konzil von Toledo wünscht dem Sisinand, der
Himmei möge regnum iliius gentisque Gothorum im katholischen
Glauben stärken; auf dem zwölften drückt sich König Erwig so-
gar so aus, als gehöre das Reich der gens allein, wenn er populis
gentisque nostrae regno Heil verheißt. Empörung und Hochver-
rat aller Ai t sind nach der Auffassung der Reichsgesetze gegen den
König, die Nation und das Land zugleich gerichtet: rex, gens und
patria^ begegnen in diesemSinne wiederholt in innigerVerbindung.
Auch nach außen figuriert die gens Gothorum, z. B. in Friedens-
schlüssen, um FELix DxHNs Worte zu gebrauchen, 'als völker-
rechtliches Subjekt' zur Seite des Königs; Eroberungen fallen
auch ihr zu: Leovigild, sagt Isidor, überzog die Sueven mit Krieg
regnumquc eorum in jura gentis suae mira celeritate transmisit.
Erwägt man dazu, wie ungemein oft auch sonst in den westgoti-
schen Queiien der gens Gothorum, Gothica gens, oder gens schlecht-
^ Var. X, 31.
2 8. o. S.46, A. 2. Natürlich sind bei strengei' Übersetzung von rex
gentisLangobardorum die beiden letztenWörter nicht von einander zu trennen.
 
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