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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0097
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Studien zur Yoro-eschichte des deutschen Yolhsnamens.

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tischem Gebiet hatte gerade das abwechselnde Aufstreben bald
des einen, bald des anderen Staates zur Vorherrschaft dazu ange-
trieben, den ersten, wenn auch schwachen und unbestimmten
Umriß emes angelsächsischen Reichsgedankens zu entwerfen^. So
geschah es, daß man ohne schärferen Widerspruch, als er im Wesen
der realen Zustände lag, zu gleicher Zeit von so und so viel kleinen,
individuell benannten gentes Anglorum und von einer großen
gens Anglorum reden konnte. Vorderhand bildete die letztere
nicht viel mehr als den geistigen Inbegriff der ersteren; es hat
noch über zwei Jahrhunderte voll saurer geschichtlicher Arbeit
erfordert, es hat dynastischer Katastrophen und des wildesten
Andranges äußerer Feinde bedurft, um aus den anglischen Völ-
kern in der Tat ein englisches Volk im umfassendsten Sinne des
Wortes zu erschaffen.
Die bisherige Darlegung hat eine Vorstellung davon zu geben
\^ersucht, wie während der Zeit vom 5. bis zum 8. Jahrhundert
die Idee der gens im Abendlande nicht bloß bei den Germanen
allenthalben in Kraft blieb, sondern selbst auf die Romanen über-
tragen ward; wie dieselbe zugleich in zwiefacher Dehnbarkeit so-
wohl nach der Tiefe zu einen neuen Iiulturinhalt in sich aufzuneh-
men, als auch in die Breite hin sich allmählich auf größere, so oder
so zusammengebrachte und -gehaltene Bevölkerungseinheiten zu
erstrecken vermochte. An dem zuletzt angeführten Beispiele der
Angelsachsen ließ sich sodann erkennen, wie diesen allgemeinen
Bedmgungen gemäß unter besonders günstigen Umständen schon
früh über einem bestimmten Kreise älterer gentes das Idealbild
einer einzigen Nationalität ungefähr von modernem Umfang und
wird, so waltet zwar in. der Auswahl des einen oder anderen Ausdruckes wohl
in den meisten Fällen eine gewisse Überlegung, es soll indessen nichtsdesto-
weniger so oder so die nämliche Sache bezeichnet werden. Nur an einer ein-
zigen Stelle scheint mir Beda auf Dialektverschiedenheit zwischen Angeln
und Sachsen hinzudeuten; denn in dem Satze secundus Caelin rex Occiden-
talium Saxonum, qui lingua eorum Ceaulin vocabatur (II, 5) stellt Caelin
doch tvahrscheinlich die anglische Form des Namens vor.
^ Soviei Bedeutung muß man nach Beda II, 5 dem sogenannten Bretwal-
datum jedenfalls beilegen, worüber historisch am einsichtigsten FREEMAN
(Norman conquest I, 27f.) urteilt. Das imperium, wie es Beda a. a. 0. schil-
dert, erstreckt sich zwar auch auf Teile der Kelten, bleibt aber darum doch
ein nationales; denn diese werden dabei als Untertanen der Angli gedacht:
nec non et Meuanias Brettonum insulas Anglorum subjecit imperio, heißt es
vom fünften Bretwalda.

Sitzungsberichted.Heidelb.Akaü., phü.-hist.KI. 1916. 8-Abh.

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