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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0037
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Die Göttin Psyche.

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aus 366 Gottwesen, der heiligen Zahl des J ahres1, besteht; sie tritt
für Abatur selbst ein2. Die Abwägung findet statt, wenn die Seele
zu Gott aufsteigen will. Wenn nicht mehr die Wage, sondern Gott
Abatur ermahnt wird, sein Amt weiter zu verwalten, so heißt es
(S. 234, 1): „Unter allen Skinäs und [Jthras gibt es keinen, wie
du bist, keinen in diesen Lichtwelten, der so sanft wie du wäre.
Du bist sanft, und du bist ein geeigneter Uthra, du bist großmütig,
und du bist den Seelen eine Stütze. Du empfindest Mitgefühl
mit den Seelen, und du bist ein [passender] Richter.“ Ich denke
hiernach ist begreiflich, wie ein Autor, der griechische Mythologie in
Wort und Darstellung kannte, Hermes und Moira einsetzen konnte;
erscheint doch gerade Hermes bei der Abwägung der Seelen, die
dem Griechen freilich andere Bedeutung hat3. Die Worte der
κοσμοποιία: καί πάντα ίλαρυνθήσεται Έρμου σε όδηγουντος empfan-
gen aus diesen Vorstellungen ihre volle Bedeutung: wenn einst
Hermes die Seele zur Gottheit zurückleitet4.
So bleibt noch als letzter Gott der Κρόνος, dessen Beziehung
auf die Zeit in der zweiten Fassung hervorgehoben wird. Wir
werden ihn von dem Zarvän nicht trennen können, wiewohl dessen
eigentliches Wesen sicher nicht die Zeit an sich ist; aber die grie-
chische Deutung ist durch Eudemos von Rhodos (vgl. oben S. 36)
als sehr alt gegeben. Auffällig ist, daß er hier nicht an erster, son-
dern an sechster Stelle erscheint. Aber die κοσμοποιία selber
bezeugt ja auch fast einen Systemwechsel, von dem wir sonst nichts
wissen. Kronos trägt das Szepter und gibt es dem πρώτος κτιστός5
1 Um eins vermehrt, vgl. Lidzbarski S. 24, 6.
2 Lidzbarski S. 232. Daß auch neben dem 'Wagemann’ der 'Richter’
steht (Lidzbarski S. 234), ist wohl nur ein anderer Ausdruck für diese Doppel-
heit der Seelenrichter, vgl. auch Brandt, Mandäische Religion S. 195 und 75.
3 Ygl. Preller-Robert, Griechische Mythologie 532, 6.
4 Ygl. Lidzbarski S. 209: „Hierauf verliehen wir Abatur die Herr-
schaft über den großen Jordan lebenden Wassers, über die Seelen, die
zur lichten Wohnung emporsteigen, und über die Erleuchtung und die
Lobpreisung, die aus der Welt emporsteigen.“
5 πρωτω κτιστώ ist beidemal in dem Papyrus überliefert. Wir dürfen
das nicht mit Dieterich antasten; der Begriff der κτιστοί θεοί, der auch
diesen προφανέντες anhaftet, tritt dabei noch schärfer hervor. Es ist 'der
Erste’ des früher angeführten mandäischen Liedes (S. 15), der πρώτος
άνΟ-ρωπος der bekannten Mythen. An die symbolische Übergabe des Szepters
erinnert noch im Poimandres der Zug p. 331, 11 ω παρέδωκε τά έαυτοΰ πάντα
δημιουργήματα und 331,14 und 21 εχων πασαν έξουσίαν. So heißt er im Ein-
 
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