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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0057
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Die Göttin Psyche.

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von Menschen verfaßt sein sollen, nur die Hermetischen Schriften
und die ihnen in der Einkleidung verwandte astrologische und
sonstige Geheimliteratur erblicken. Man vergleiche die Beschrei-
bung des Niedersinkens und Aufsteigens der Seelen mit Corp.
Hermet. X (XI) 7 p. 7t. 72 Partiiey oder der gleich zu besprechen-
den Κόρη κόσμου. So kann man in jener Erwähnung des Auf-
regens der Seele aus dem Schlafe der Sorglosigkeit und Vergessen-
heit sogar einen direkten Verweis auf die Schrift des Hermes an
die Seele erblicken. Wie dem sei, der Annahme, daß in dieser vor
das zehnte Jahrhundert fallenden orientalischen Geheimliteratur
auch Stücke aus der besten hellenistischen Zeit in leichter Über-
arbeitung weiter leben, habe ich in der Festschrift für Fr. C. Andreas
erwiesen; natürlich haben sich auch jüngere Nachahmungen ange-
schlossen. Die Scheidung ist nur nach inneren Gründen möglich.
Charakteristisch für den ersten Teil der arabischen Schrift
ist nun die immer wiederkehrende Aufzählung dreier Leiden (töd-
licher Übel), die der Psyche in der Welt der Materie notwendig
widerfahren, tristitia, inopia, timor. Zusammengefaßt werden sie
in einem vierten, dem mit der Materie verbundenen Grundübel
der inscientia1. Sowohl Norden wie Jos. Kroll suchen hierin die
vier stoischen πάθη, also φόβος λύπη έπι,θυμία ήδονή, und sind dazu in
gewisser Weise von Bardenhewer verführt, der in den lexikali-
schen Erläuterungen S. 151 und 152 den arabischen Wörtern, die
er mit copia oder inopia, bezw. egestas, übersetzt, Bedeutungen
zuschreibt, die sie zunächst nicht haben. Sie bedeuten, wie mir
Prof. Littmann nach Prüfung der Hauptstellen bestätigt, nur
εύπορία und απορία in dem Sinne von 'genug haben’ und 'Mangel
haben’2. Wir müssen die Erinnerung an die stoischen πάθη ganz
fernhalten und die griechische Terminologie, die zugrunde liegt,
an anderem Orte suchen. Daß auch an ihm die απορία genau die
gleiche Bedeutung hat, ist natürlich nicht nötig3.
ich mustere zunächst die entscheidenden Stellen der arabi-
schen Schrift: IV 9—11 persuadeas tibi, o anima, . . quattuor res
1 Im zweiten Teil werden nur einmal zwei von ihnen beiläufig mit
anderen Affekten zusammen erwähnt (VII 10).
2 Der Gedanke, daß wahrer Reichtum in Genügsamkeit besteht und
wer viele Begierden hat, Mangel empfindet, wird nebenbei ausgesprochen
und ist begreiflich, genügt aber natürlich nicht, um dem Wort für Reichtum,
Genügen die Bedeutung σωφροσύνη oder dem für seinen Gegensatz die Bedeu-
tung έπι,θυμία zu geben.
3 Auch Kroll gibt das zu.
 
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