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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0099
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Die Göttin Psyche.

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nam gemina est sedem turpem sortita per amnem
turbaque diversa remigat omnis aqua,
una Clytaemnestrae stuprum vehit, altera Cres.sae
portat mentitae lignea monstra bovem.
ecce coronato pars altera posta (parta Codd.) phasello,
mulcet ubi Elysias aura beata rosas,
qua numerosa fides quaque aera rotunda Cybebes
mitratisque sonant Lydia plectra choris.
Dann wären zwei Seelen, die zu verschiedenem Lose führen,
dargestellt. Aber unbegreiflich wäre, daß Eros1 beide rudert. Weit
richtiger wird es sein, zwei zeitlich auseinanderliegende, aber inhalt-
lich sich entsprechende Situationen desselben Paares, der Psyche und
des Eros, anzimehmen und an die Dichtung von ihnen zu denken.
Den Einwand, daß hier gerade die trauernde Psyche das Fläschchen
trägt, während doch an dessen Besitz in den andern Darstellungen
die Wiedervereinigung mit Eros geknüpft scheint, und daß bei der
Darstellung der jubelnden Psyche das Fläschchen fehlt, nehme ich
nicht schwer. Die christlichen Künstler kennen den Mythos über-
haupt nicht mehr, sondern nur seine bildlichen Darstellungen; sie
empfinden daher die eigentliche Bedeutung der Attribute nicht, nur
die religiöse Beziehung des ganzen Zyklus ist ihnen noch bewußt;
die Attribute bezeichnen für sie nur noch die Persönlichkeiten
und werden nach Bedürfnis und Laune zugefügt oder frei neben
die Figuren gestellt (oben S. 95). Aber auch heidnische Künstler,
z. B. in Rom, mögen in ähnlicher Lage gewesen sein. Das Fläschchen
schien notwendig als Attribut der Psyche; die flötenspielende
Psyche2 konnte es nicht halten, so ward es der trauernden in die

1 Oder auch nur 'ein Erotk
2 In der älteren rein dekorativen Vorlage, die wir ohne weiteres an-
nehmen dürfen, entsprach die Flötenspielerin (oder ein Flötenspieler) dem
Schläger des Tympanon. Für den Gedanken darf man auf die vonMaass,Orpheus
S. 241, herangezogene Darstellung des Himmels in dem Gedicht C. I. L.
VI 3, 21 521 = Bücheler, Carmina lat. epigr. 1109 verweisen: die Erschei-
nung des Verstorbenen kündet (p. 27) Nam me sancta Venus sedes non nosse
silentum iussit et in caeli lucida templa tulit, der Trauernde antwortet Die
Nepos (Name), seu tu turba stipatus Amorum laetus Adoneis lusibus in-
sereris. Das Gedicht gehört in die Zeit der Flavier. Da Isis ihre Diener in das
Elysium entrückt (Apuleius, Metam. XI 6) und Tibull, der ja den Isis-Dienst
genau kennt, I 3, 57 sagt sed me, quod facilis teuero sum Semper Amori, ipsa
Venus campos ducet in Elysios, wird der Aphrodite-Glauben, der diesen Dar-

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