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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0036
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Martin Dibelius:

Gebrauch von έμβατεύειν im 2. Jahrhundert n. Chr. (vgl. S. 33
Anm. 2.3) bezeugen und zwar jn Beziehung auf dort gefeierte Myste-
rien. Nicht jeder Αεοπρόπος scheint Mitglied dieser Kultgenossen-
schaft geworden zu sein; auf den anderen Inschriften fehlt die
Angabe. An welche Bedingungen die Zulassung geknüpft war, ob
Würde der Gesandtschaft oder eigener Wunsch, ob etwa die Zah-
lung eines Beitrages entschied, das sind Fragen, die vorläufig
ohne Antwort bleiben.
Aber das, was uns erkennbar ist, genügt, um die Paulus-Stelle
zu erklären. Bei der Propaganda eines fremden Kults, der sich
in Kolossä aufgetan hat, spielt das Stichwort έμβατεύων eine
Rolle. Das Objekt zu έμβατεύειν ist wohl durch den Relativsatz
ά έώρακεν angedeutet ; schon daraus kann man auf technischen
Gebrauch von έμβατεύειν schließen. Die Inschriften von Klaros
bestätigen, daß έμβατεύων in der Sprache mindestens eines klein-
asiatischen Mysterienkults vom zweiten christlichen Jahrhundert
ab technisch war. So dürfte auch die in Kolossä im ersten christ-
lichen Jahrhundert eingedrungene Religion, deren Sprache έμβα-
τεύειν technisch verwendete, eine Mysterienreligion gewesen sein
— ein Resultat, das nichts Überraschendes hat, das aber bisher
des Beweises ermangelte.
ά έώρακεν έμβατεύων gehört also zu den Worten, die Paulus
aus der Sprache jener Mysterien zitiert. Völlig verständlich ist
die Anspielung nur den Eingeweihten; denn was sie gesehen
haben, werden diese auch ihren christlichen Brüdern nicht anver-
traut haben. Konstruiert werden könnte wohl kaum ganz frei:
μηδείς υμάς καταβραβευέτω -βέλων έν ταπεινοφροσύνγ) . . . (και έν
τούτοις) ά έώρακεν έμβατεύων „der Gefallen hat an dem, was
er bei der Einweihung gesehen hat“. Besser ist es jedenfalls,
wie oben schon vorgeschlagen, έμβατεύων parallel -8-έλων zu fassen
und in ά έώρακεν sein Objekt finden zu lassen: „der betritt (bei
der Initiation) das, was er gesehen hat“. Dabei wäre vielleicht an
erst gezeigte heilige Symbole zu denken, die beim έμβατεύειν dann
eine Rolle gespielt hätten — έμβατεύειν stände dann für „eingeweiht
werden“ unter Aufgabe der eigentlichen Bedeutung. Oder besser:
man hält diese Bedeutung fest und bezieht έώρακεν auf die vor-
bereitende Vision1; derMyste schaut zuerst die heiligen Räume in
1 Auch der Urheber der Lesart ά μή έώρακεν war ja offenbar der Mei-
nung, daß es sich um eine Vision handle.
 
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