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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0052
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52

Martin Dibelius:

Je nachdem hat dann die Entwicklung zu dauernder Vereinigung
oder zur Abstoßung'geführt; in diesem Fall mag der Vertreter
des Synkretismus christliche Reminiszenzen in Form von Namen,
Formeln oder Riten beibehalten haben. So dürfen wir uns über
christliche Einflüsse in synkretistischen Religionen nicht wundern1,
zumal da auch dieser Prozeß sich nicht ausschließlich auf das
Christentum erstreckt hat. Denn die synkretistische Religiosität
wird auch vom Judentum angezogen und trägt gewisse Spuren
dieser Annäherung davon; jüdische Reminiszenzen in den Zauber-
papyri können zum Belege dienen2, und einen noch besseren Reweis
würde, wenn sie zu Recht besteht, die Vermutung liefern, daß die
alttestamentlichen Zitate in der Naassenerpredigt bei Hippolyt
schon in dem ursprünglichen, ,,heidnisclT‘-gnostischen Text ent-
halten waren3.
So zeigt sich Rewegung und Gegenbewegung unserem Blick:
gnostische Invasion im Christentum und Aneignung christlichen
Gutes durch den Synkretismus; zu diesen Beziehungen kommt
noch das zuerst untersuchte Phänomen der Kultverbindung hinzu.
Alle drei Faktoren aber arbeiten auf dasselbe Ziel hin, das die
Isis-Mysterien bei Apuleius und die kosmischen Mysterien in
Kolossä erstrebten: durch eine Offenbarungsreligion den Men-
schen frei vom kosmischen Zwang und zum Herrn seines Schicksals
zu machen. Das Christentum leistet Widerstand mit denselben
Mitteln, die schon Paulus anwendete: es betont seine Ausschließ-
lichkeit und seine Überlegenheit und baut diese Bastionen immer
stärker aus.
Seinen ausschließenden Charakter zeigt das Christentum
nicht nur, indem es die synkretistischen Bildungen abstößt und so
die Krisis der antignostischen Kämpfe überwindet4, sondern erst
recht, indem es die Einzigartigkeit seiner Gottesoffenbarung in
der einzigartigen Größe Gottes begründet, also den hellenistischen

1 Wendland, Hellenist.-röm. Kultur2 167 und Anm. 3.
2 Beispiele sind neuerdings von Wetter untersucht in dem Buche
„Der Sohn Gottes“ S»-33f.
3 Reitzenstein, Poimandres 82.
4 Der gewaltige Prozeß der Verfestigung der kirchlichen Organisation
— an Bedeutung den hier betrachteten Erscheinungen gleichwertig, aber
seiner Natur nach nicht in diese Betrachtungen gehörig — hat hier seine
Stelle.
 
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