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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 11. Abhandlung): Die Beschaffenheit des hoechsten Objekts — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37673#0030
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H. DRIESCH:

wirklich ist und nicht nur das Subjekt in Rückbeziehung auf sich
selbst als wissend gilt.
Wir haben gezeigt, daß der höchste Wissensgegenstand in
der von uns dargelegten Bedeutung der Worte als wirklich und
als wissensdurchtränkt gelten darf. Er darf sogar als wissens-
durchtränkt gelten in überreicher Ausprägung der Formenmannig-
faltigkeit des gewußten W'issens, wobei freilich nur weniges von
dieser Mannigfaltigkeit im eigentlichen Sinne ,,verstanden" ist,
nämlich im Grunde nur das objektive Wissen des ,,anderen Men-
schen" und derjenigen Tiere, welche im Rahmen der menschlichen
Wissensform ärmere Typen darstellen. Was von anderem Wissens-
typus ist, wie das Instinktwissen, das ,,primäre Wissen" der
Formbildungsentelechie, das Überpersönliche Wissen, das in
Phylogenese und Geschichte erscheint, das ist nur als ,,Wissen
überhaupt" allenfalls verstanden. Aber es ist trotz allem eine
große Einsicht, zu wissen, daß es den Typenreichtum des objek-
tiven Wissens als des Wirklichen gibt. Denn diese Einsicht
bewahrt vor zu enger Ansicht des Wirklichen, sie bewahrt zumal
vor dem allzumenschlichen Glauben, daß das Weltwesen in der
menschlichen Kultur sozusagen sein Genügen fände, oder daß
das im menschlichen Sinne ,,Gute" das Ziel der Welt sei. Ganz
gewiß soll das im menschlichen Sinne Gute nicht unterschätzt
werden, aber eine Philosophie, welcher eine philiströs-pharisäische
Ethik das höchste ist, die trifft ganz gewiß nicht die uns unver-
ständliche unermeßliche Erhabenheit des WeltwesensE Der Mensch
als Wissenswesen hat Teil an dem höchsten Wesenszuge des
Wirklichen, aber er ist von diesem Wesenszuge doch wahrlich
nur ein ganz kleiner Bruchteil, und. dafür, daß er die höchste
Form von Wissen sei, liegt gar kein Grund vor. Was dem Men-
schen besonders ,,wichtig" erscheint, das mag dem Weltwesen
recht gleichgültig sein, und vielleicht ist dem Weltwesen an dem,
was den Menschen angeht, nur bedeutsam, was den meisten
Menschen eine oft gar nicht einmal gekannte Nebensache ist -
schlichtes schauendes Erkenntniswissen in wissenschaftlicher oder
künstlerischer Reinheit.
Der eigentlich entscheidende Schritt zu einer Beseelung des
Gewußten war, abgesehen von der Schauung des Begriffs wfrA-
* Unter ,,Weltwesen" verstehen wir hier nicht Gon. Wir gehen hier nur
in die ,,Metaphysik erster Art" hinein. Darüber vergleiche man WAAü'cA-
S. 286 Ende.
 
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