Achiqar und Aesop.
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aJlen Philosophen zu messen. Noch ungeschickter ist es, daß
ihn dort in der Fremde die Sehnsucht nach einem Sohn über-
kommt, den er in ’Έννος {Αίνος)1 findet. Ennos läßt sich dann
durch das Kebsweib des Aesop verführen — man sieht, es werden
auch dem Achiqarroman fremde Motive verwandt — und wird
von Aesop verstoßen. Dann folgt das Kapitel von der Verleum-
dung des Weisen und seiner Errettung, das ziemlich summarisch
abgemacht, wird. Es gibt hier nur eine2 Belehrung des Sohnes,
die nach der Begnadigung des Sünders aber vor der Ausfahrt
nach Ägypten stattfindet. Die Sentenzen entsprechen also den
Mahnreden; sie sind mit Ausnahme einer einzigen, die uns noch
beschäftigen wird, und eines Bibelzitates (vgl. Nöldeke S. 62)
eine Zusammenstellung von Sprüchen der 7 Weisen und Menander-
sentenzen. Während es dementsprechend bei der Einführung
der Mahnreden (c. 25 Schluß) heißt παραλαβών τον ’Έννον ονδέν
αηδές αυτόν εδρασεν άλι ώς νίώ πάλιν προςσχών άλλους τε και τού-
τους νπετίϋει τους λόγους, schließt das Kapitel dieser ganz maß-
vollen Ermahnungen überraschenderweise εκείνοις τοϊς τε λόγοις καί
τή οικεία ουνειδήοει οί,ά τινι βέλει πληγείς την ψυχήν μετ ον πολλάς
ημέρας τον βίον μετήλλαξεν. Erst nach Ennos’ Tod erfolgt nun der
Wettstreit in Ägypten, der mit größerer Breite ausgeführt wird.
Fm den ungriechischen Charakter dieser Wundergeschichten, die
Freude an trügerischer Lösung unmöglicher Aufgaben zu kenn-
zeichnen, erwähne ich die Geschichte vom Bau des Schlosses in
der Luft. Aesop (Achiqar) läßt nämlich Knaben sich auf gezähmten
Adlern3 in die Lüfte schwingen und von oben herunterrufen:
Bringt uns Steine und Lehm, damit wir dem Pharao hier ein
1 Über die Namen vgl. Marc, a. a. O. S. 405 A.
2 Smend S. 98 sucht das so zu erklären, daß er annimmt, der griechi-
sche Bearbeiter habe die Fabeln aus der Strafpredigt ausgelöst, um sie an
anderem Orte zu verwenden und dadurch die Strafreden so entwertet, daß
er sie wegließ. Mir scheint es das Bestreben des Redaktors gewesen zu sein,
neue Motive in möglichst knapper Form zu häufen. Die orientalischen Tier-
fabeln in ihrer unbeholfenen Form reizten ihn wohl nicht.
3 Ein ähnliches Motiv — wilde Vögel, die den Alexander in die Lüfte
tragen — in dem dem Aesoproman auch sonst nahestehenden Alexander-
roman (FHGr II 42), freilich nur in der Handschrift C, die „ein Sammel-
surium aller möglichen Sagen darstellt“ (Kroll bei Ausfeld, Der griech.
Alexanderroman S. 171). Orientalischer Einfluß ist hier sicher. Über das
Weiterleben dieser Motive im Mittelalter vgl. den schönen Aufsatz \ron War-
burg: Luftschiff und Tauchboot in der mittelalterlichen Vorstellungswelt
— Hamburger Fremdenblatt vom 2. III. 1913.
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aJlen Philosophen zu messen. Noch ungeschickter ist es, daß
ihn dort in der Fremde die Sehnsucht nach einem Sohn über-
kommt, den er in ’Έννος {Αίνος)1 findet. Ennos läßt sich dann
durch das Kebsweib des Aesop verführen — man sieht, es werden
auch dem Achiqarroman fremde Motive verwandt — und wird
von Aesop verstoßen. Dann folgt das Kapitel von der Verleum-
dung des Weisen und seiner Errettung, das ziemlich summarisch
abgemacht, wird. Es gibt hier nur eine2 Belehrung des Sohnes,
die nach der Begnadigung des Sünders aber vor der Ausfahrt
nach Ägypten stattfindet. Die Sentenzen entsprechen also den
Mahnreden; sie sind mit Ausnahme einer einzigen, die uns noch
beschäftigen wird, und eines Bibelzitates (vgl. Nöldeke S. 62)
eine Zusammenstellung von Sprüchen der 7 Weisen und Menander-
sentenzen. Während es dementsprechend bei der Einführung
der Mahnreden (c. 25 Schluß) heißt παραλαβών τον ’Έννον ονδέν
αηδές αυτόν εδρασεν άλι ώς νίώ πάλιν προςσχών άλλους τε και τού-
τους νπετίϋει τους λόγους, schließt das Kapitel dieser ganz maß-
vollen Ermahnungen überraschenderweise εκείνοις τοϊς τε λόγοις καί
τή οικεία ουνειδήοει οί,ά τινι βέλει πληγείς την ψυχήν μετ ον πολλάς
ημέρας τον βίον μετήλλαξεν. Erst nach Ennos’ Tod erfolgt nun der
Wettstreit in Ägypten, der mit größerer Breite ausgeführt wird.
Fm den ungriechischen Charakter dieser Wundergeschichten, die
Freude an trügerischer Lösung unmöglicher Aufgaben zu kenn-
zeichnen, erwähne ich die Geschichte vom Bau des Schlosses in
der Luft. Aesop (Achiqar) läßt nämlich Knaben sich auf gezähmten
Adlern3 in die Lüfte schwingen und von oben herunterrufen:
Bringt uns Steine und Lehm, damit wir dem Pharao hier ein
1 Über die Namen vgl. Marc, a. a. O. S. 405 A.
2 Smend S. 98 sucht das so zu erklären, daß er annimmt, der griechi-
sche Bearbeiter habe die Fabeln aus der Strafpredigt ausgelöst, um sie an
anderem Orte zu verwenden und dadurch die Strafreden so entwertet, daß
er sie wegließ. Mir scheint es das Bestreben des Redaktors gewesen zu sein,
neue Motive in möglichst knapper Form zu häufen. Die orientalischen Tier-
fabeln in ihrer unbeholfenen Form reizten ihn wohl nicht.
3 Ein ähnliches Motiv — wilde Vögel, die den Alexander in die Lüfte
tragen — in dem dem Aesoproman auch sonst nahestehenden Alexander-
roman (FHGr II 42), freilich nur in der Handschrift C, die „ein Sammel-
surium aller möglichen Sagen darstellt“ (Kroll bei Ausfeld, Der griech.
Alexanderroman S. 171). Orientalischer Einfluß ist hier sicher. Über das
Weiterleben dieser Motive im Mittelalter vgl. den schönen Aufsatz \ron War-
burg: Luftschiff und Tauchboot in der mittelalterlichen Vorstellungswelt
— Hamburger Fremdenblatt vom 2. III. 1913.