Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang.
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Anschauungsbild nicht gewinnen, so wenig wie etwa aus den An-
gaben der Völuspä über den Baldrrächer. Das unmittelbare Ver-
ständnis der Surtstrophe wird sich aber wohl immer in der Rich-
tung bewegen, daß der Dämon ein Flammenschwert führt,
weil der grelle Schein, der von der Klinge des Feuerriesen ausgeht,
unwillkürlich als Feuerschein aufgefaßt wird. So legt denn auch
Snorri dem Surt ein brennendes Schwert bei (loganda sverd).
Diese Auffassung wird bestätigt durch mythologische Parallelen.
Das indische Weltfeuer wird entzündet durch die himmlische
Wurfwaffe des Gottes Schiwa1. Der 'Feuerkönig5 von Kam-
bodscha besitzt ein Schwert, das er nur aus der Scheide zu ziehen
braucht, damit die Welt zugrunde geht — offenbar, wie sein
Name besagt, ein Feuerschwert2. Der babylonische Gott Ninib
zählt unter seinen Waffen auch 'die Waffe5 auf, 'die wie Girru
(d. i. der Feuergott, das Feuer3) das Feindesland verbrennt, die
Waffe mit fünfzig Köpfen5. Eine solche phantastische Brand-
waffe scheint auch Surts Schwert ursprünglich gewesen zu sein.
Jedenfalls macht diese Annahme Surts Doppelwesen verständ-
lich: es ist entstanden, indem ein germanischer Dichter dem frem-
den Schwertdämon einen streitbaren Gegner gab, den Freyr.
Dieser Dichter sah ab von der Eigenart des Schwertes als Feuer-
schwert. Aber er hat diese dadurch nicht aus der Welt geschafft.
Es dürfte aber zu dem weltvernichtenden Feuerschwert noch
mehr südöstliche Parallelen geben. Die in den Kaukasusgegenden
verbreitete Sage von dem Gefesselten, der einst loskommen und
die Welt vernichten wird, tritt mehrfach in der Form auf, daß
in der Nähe des Dämons ein Schwert liegt, das er mit aller Kraft
zu erreichen trachtet: sobald ihm dies durch Zerreißen der Fesseln
gelingt, bricht das Weitende an. ln keiner der Aufzeichnungen
verlautet etwas darüber, wie es dem befreiten Unhold möglich
sein wird, mit dem Schwerte die Welt zu vernichten. Daß die
Katastrophe sich nicht auf die Menschen beschränken ward, die
er mit dem Schwert erschlagen kann, ist klar. Olrik findet des-
halb mit Recht in dem Schwerte ein motivgeschichtliches Problem4.
Die Lösung dürfte darin liegen, daß dieses Schwert gedacht ist
1 Olrik 2, 207f. 275.
2 Olrik a. a. O. 209f. Die Überlieferung liegt nur in verkümmerter
Form vor.
3 .Jastrow, Die Religion Babyloniens und Assyriens 1,462.
4 a. a. O. 48.
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Anschauungsbild nicht gewinnen, so wenig wie etwa aus den An-
gaben der Völuspä über den Baldrrächer. Das unmittelbare Ver-
ständnis der Surtstrophe wird sich aber wohl immer in der Rich-
tung bewegen, daß der Dämon ein Flammenschwert führt,
weil der grelle Schein, der von der Klinge des Feuerriesen ausgeht,
unwillkürlich als Feuerschein aufgefaßt wird. So legt denn auch
Snorri dem Surt ein brennendes Schwert bei (loganda sverd).
Diese Auffassung wird bestätigt durch mythologische Parallelen.
Das indische Weltfeuer wird entzündet durch die himmlische
Wurfwaffe des Gottes Schiwa1. Der 'Feuerkönig5 von Kam-
bodscha besitzt ein Schwert, das er nur aus der Scheide zu ziehen
braucht, damit die Welt zugrunde geht — offenbar, wie sein
Name besagt, ein Feuerschwert2. Der babylonische Gott Ninib
zählt unter seinen Waffen auch 'die Waffe5 auf, 'die wie Girru
(d. i. der Feuergott, das Feuer3) das Feindesland verbrennt, die
Waffe mit fünfzig Köpfen5. Eine solche phantastische Brand-
waffe scheint auch Surts Schwert ursprünglich gewesen zu sein.
Jedenfalls macht diese Annahme Surts Doppelwesen verständ-
lich: es ist entstanden, indem ein germanischer Dichter dem frem-
den Schwertdämon einen streitbaren Gegner gab, den Freyr.
Dieser Dichter sah ab von der Eigenart des Schwertes als Feuer-
schwert. Aber er hat diese dadurch nicht aus der Welt geschafft.
Es dürfte aber zu dem weltvernichtenden Feuerschwert noch
mehr südöstliche Parallelen geben. Die in den Kaukasusgegenden
verbreitete Sage von dem Gefesselten, der einst loskommen und
die Welt vernichten wird, tritt mehrfach in der Form auf, daß
in der Nähe des Dämons ein Schwert liegt, das er mit aller Kraft
zu erreichen trachtet: sobald ihm dies durch Zerreißen der Fesseln
gelingt, bricht das Weitende an. ln keiner der Aufzeichnungen
verlautet etwas darüber, wie es dem befreiten Unhold möglich
sein wird, mit dem Schwerte die Welt zu vernichten. Daß die
Katastrophe sich nicht auf die Menschen beschränken ward, die
er mit dem Schwert erschlagen kann, ist klar. Olrik findet des-
halb mit Recht in dem Schwerte ein motivgeschichtliches Problem4.
Die Lösung dürfte darin liegen, daß dieses Schwert gedacht ist
1 Olrik 2, 207f. 275.
2 Olrik a. a. O. 209f. Die Überlieferung liegt nur in verkümmerter
Form vor.
3 .Jastrow, Die Religion Babyloniens und Assyriens 1,462.
4 a. a. O. 48.