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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0049
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Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang.

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riese ist, so auch Surt. Loki vertritt den Typus des an die Klippe
gefesselten Dämons (Olriks Typus IVA); Surt den des in der
Höhle gefesselten, der sich nach dem Schwerte reckt (Olriks
Typus I, vgl. Typus II und III). Zwar enthält uns die nordische
Überlieferung das Bild des Gefesselten, nach dem Schwerte Ver-
langenden vor; sie kennt nur die Höhle, den Schauplatz dieser
Szene; aber daß Ragnarök dadurch herbeigeführt wird, daß das
Schwert in den Besitz des Riesen kommt, ist ihr ebenso bekannt
wie den kaukasischen Sagen; es erscheint nur in einen neuen
Zusammenhang eingesponnen.
Der Beziehungen zwischen Nordisch und Kaukasisch sind
also noch mehr, als Olrik angenommen hat. Ja, es gibt unter
dem Mythenmaterial der Völuspä noch einen dritten Reflex des
gefesselten Kaukasusdämons: die Zwerge, die 'vor den Stein-
türen’ stöhnen, unmittelbar ehe Surt erscheint (48, 5), während
die Bergwelt tost, geben in freier Umbildung den sich windenden
und stöhnenden Amiran der grusinischen Sage wieder. An keiner
Stelle in dem weiten Gebiet der Erdbebensagen kommt das ele-
mentare Bangen, das ihnen allen mehr oder weniger das Gepräge
gibt, so unmittelbar zum Ausdruck wie hier, bei einem Dichter,
der wahrscheinlich weder Erdbeben noch Vulkanausbrüche er-
lebt hat, der aber eben ein Dichter war.
Unser Ergebnis ist, daß sämtliche Weltbrandmotive des nor-
dischen Ragnarök fremder, südöstlicher Herkunft sind, zur Völ-
kerwanderungszeit durch Goten entlehnt: der Weltbrand selbst,
mit dem Hinabtauchen der Erde ins Meer und ihrem Wiederauf-
tauchen, und die beiden mythischen Vorstellungen von der Muspell-
schar und von Surt. Das sind drei verschiedene Auffassungen der
Begriffe Weltbedrohung und Weltvernichtung. Auch die Er-
neuerung der Welt nach ihrer Vernichtung ist in den Entlehnungen
enthalten. Dagegen fehlt in ihnen der Gedanke, der dem ger-
manischen Ragnarök seine Eigenart gibt: die Überzeugung, daß
Surtar sefi der Plusverse der Hauksbök, was starke Bedenken erregt. Doch
scheint es nicht unbedingt abzulehnen, daß iotunn losnar sich auf Surt be-
ziehen könnte. Die Umschreibung des Kampfes der Äsen mit Surt durch
blanda higrlegi Fafn. 14 scheint eine tragisch-ironische Anspielung zu ent-
halten auf das blanda blodi saman Lok. 9, und inan darf fragen, ob diese im
Kreise der Lokimythen vereinzelt dastehende Geschichte nicht vielmehr
ursprünglich an Surt geknüpft war. Sie erinnert an die Verschwägerung Freys
mit den Riesen und ihren tragischen Ausgang.

Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-bist. Kl. 191S. 7. Abh.

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