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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0050
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50

Gustav Neckel:

man gegen die vernichtenden Mächte bis zum letzten Blutstropfen
kämpfen muß, obgleich sie unwiderstehlich sind und der Unter-
gang unvermeidlich ist.
Zwar kennen auch andere Überlieferungen Kämpfe gegen
die Unholde des Ragnarök1. Aber es kommt nirgends deutlich
zum Ausdruck, daß die Kämpfer zu den Waffen greifen, um nicht
wehrlos dem übermächtigen Bedränger zu erliegen. Eben dies
aber ist der Grundgedanke des nordischen Ragnarök, insofern, es
Götterdrama ist. Dieser Unterschied wird um so weniger der
Überlieferung zur Last gelegt werden können, als die germanische
Ragnarökbeleuchtung im Einklang steht mit dem Kultus der
Kriegerehre, wie er in den Lebensbildern und Lebensregeln der
germanischen heidnischen Quellen (Heldensagen, Sagas, eddische
Spruchdichtung) unvergleichlich stark hervortritt, und mit der
Vorliebe der frühgermanischen Dichtung für das Tragische. Wir
dürfen demnach den Hauptvorgang bei der Entstehung der ger-
manischen Ragnarökmythen uns so denken: die überlieferten
Motive von dem Feuerdämon und den feurigen Luftreitern, die
die Welt unwiderstehlich vernichten sollen, ließen germanische
Köpfe ganz anders reagieren als z. B. semitische. Während diese
die Katastrophe für eine Strafe nehmen und demgemäß ihren Gott
dahinter denken, dem gegenüber sie sich immer schuldig fühlen,
betrachtet der Germane sich und die ihm freundlichen Götter als
herausgefordert, und seine Phantasie ergeht sich in der Aus-
gestaltung des Todeskampfes gegen die Vernichter.
Eine Handhabe dazu bot das wunderbare Schwert des Leuer-
dämons. Seine Wirkung als Leuerzünder war ohnehin allzu un-
klar-phantastisch für den germanischen Geschmack, den wir aus
der Heldendichtung der wahrscheinlich in Betracht kommenden
Zeit einigermaßen zu kennen glauben. So ergab es sich fast von
selbst, daß der Dämon mit seinem Schwert gegen einen Gegner
kämpfen mußte. Dieser Gegner wurde Lreyr, der freundliche Gott
des Sonnenscheins, des Erntesegens und des Friedens, und an
1 Persisch; christlich (Apok. 12, 7; der Kampf des Elias und des Enoch
gegen den Antichrist, oben S. 29 f., as. Gen. V. 140ff.); nach Olrik auch kel-
tisch; aber dies, bzw. die Herkunft des Götterkampfes in der Ysp. und bei
Snorri aus keltischer Quelle, scheint mir (mit KauffmaÜn Zs. f. dt. Phil.
35, 405, und Heüsler, Dtsch. Lit.-Ztg. 1915 Sp. 440) nichts weniger als
sicher. Die christlichen Kämpfe werden nicht für das Dasein der Welt ge-
führt, sondern für das Reich Gottes, wie denn der'gegen den Antichrist fech-
tende Elias selbst durch sein Blut das Feuer des Gerichts entzündet.
 
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