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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0005
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I

In meiner Abhandlung über die Göttin Psyche in der helle-
nistischen und frühchristlichen Literatur1 hoffe ich eine eigentüm-
liche Anschauung zunächst auf dem Boden des Zweistromlandes,
in dem babylonische und persische Religion sich mischen, sodann
aber in den wichtigsten dem Perserreich einst unterworfenen Län-
dern nachgewiesen zu haben, eine Anschauung, die von der völligen
Gleichsetzung des Kosmos und des Menschen ausgehend das Gött-
liche und Immaterielle in beiden je nach Bedürfnis als den „innern
Menschen“ (kosmisch: den Urmenschen) männlich oder als Seele
(kosmisch: Weltseele) weiblich, immer aber als Gottwesen faßt,
das aus einer höheren Welt in die ihm feindliche Materie gekommen
ist und dereinst erlöst wird2. Natürlich braucht jenes göttliche
Prinzip nicht ursprünglich schon diese abstrakte Bedeutung ge-
habt zu haben, und auch später wechselt die Bezeichung, je nach-
dem man mehr die rätselhafte Tatsache des Lebens oder des Den-
kens und Wissens betont; für den Rcligionsforscher gilt auf diesem
Boden, wo beständig alte Göttergestalten sich in Begriffe um-
setzen, noch ganz besonders: Name ist Schall und Rauch. Das
Drama bleibt in seiner doppelten Auffassung als Einzelerlebnis
und Weltgeschick; es bleibt und wird Bestandteil einer eigenartigen
Mystik, die sich neben der offiziellen, d. h. herrschend gewordenen,
aber zu Unrecht allein beachteten persischen Religion in mancherlei
Sekten erhält und in mancherlei Umgestaltungen auch dem grie-
1 Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften,
Philos.-hist. Klasse, 1917, Abh. 10. Einzelne Fragmente sind mir seither
in vollerem Umfang bekannt geworden und haben eine etwas andere Deutung
erfahren, und wichtig war vor allem die Entdeckung, daß in der iranischen
Religion neben der Seele der Geist als besonderer Bestandteil gefaßt ist.
Doch haben Grundauffassung und Hauptergebnisse sich nicht geändert.
2 Als Probe für diese Gleichsetzung genüge ein Satz aus M. 284, den
ich den Aufzeichnungen Prof. F. W. K. Müllers entnehmen durfte: „Die
monuhmed richtet sich auf aus aller finsteren Umklammerung, der neue
Mensch zieht das göttliche Gewand an.“ Genau so wechseln in den man-
däischen Totentexten die Bezeichnungen Seele und Adam innerhalb paralleler
Sätze, wie etwa Genzä 1. III 5 p. 80 „Ruhe und Heil walte auf dem Wege
Adams, Ruhe und Heil walte auf dem Wege, den die Seele geht.“
 
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