Stiftung und Kultsatzungen eines Privatheiligtums in Philadelpheia. 65
In dem Übergang solcher philosophischen Überzeugungen und § 99.
theoretischen Gesetze in das tatsächliche kultische Leben bildet
unsere Inschrift nun ein wichtiges Glied. Es scheint, daß wiederum
der Osten, Kleinasien und die Inseln, zuerst Ernst gemacht haben
mit der Forderung psychischer Reinheit für die Besucher eines
bestimmten Heiligtums. Man braucht also das Gebiet des Helle-
nismus nicht zu verlassen und ins Judentum zu gehen, um den
Schluß der Ps. Phokylidea zu erklären, V. 228 f.:
άγνείη ψυχής, ού σώματος, εΐσ'ι κα-9-αρμοί.
ταϋτα δικαιοσύνης μυστήρια.
Albrecht Dieterich, Nekyia 181 hat dafür auf pytha-
goreische, bezw. orphische Einflüsse hingewiesen; wie ich denke
mit Recht. Diese Kreise sind es auch, die wir für Philadelpheia in
Betracht ziehen müssen (vgl. oben § 82 ff.).
Noch auf eine andere vielbehandelte Frage wirft unser Text § 100.
Licht. Wie steht es mit der sittlichen Tendenz antiker Mysterien-
kulte ? Hat man von ihnen moralische Besserung erwartet, konnten
sie die fördern ? Man hat das teds verneint, teils hat man es,
mindestens für die Spätzeit, auch zugegeben (vgl. Dieterich,
a. a. 0. 66f.; Wächter 9L). Ich glaube, Stellen wie Andok. π. τ.
μυστ. I 31, Aristoph. Frösche 455ff. (Eleusis), vor allem Diodor
V 49, 6 (von den samothrakischen Mysterien): γενέσθαι δέ φασι
καί εύσεβεστέρους καί δικαιοτέρους καί κατά παν βελτίονας εαυτών τούς
των μυστηρίων κοινωνήσαντας zwingen uns, die Frage zu bejahen,
wie das nachdrücklich auch 0. Kern tut, PW. s. v. Kabeiros S. 18
des S. A. und Reformen der griech. Religion S. 20. Man könnte
die Worte Diodors gewiß auf die Mysterien übertragen, die im Hause
des Dionvsios gefeiert wurden. Tendenzen, die in einem Winkel-
kult Lydiens greifbar sind, werden wohl auch anderwärts voraus-
gesetzt werden dürfen, denn es ist doch klar, daß dieser ausgestaltet
ist nach dem Vorbild großer Mysterien.
Z. 55. § 101.
Die Ergänzung ist unsicher; aber da nach monatlichen Opfern
jährliche doch wohl am nächsten liegen, ένιαυσίαις jedoch zu kurz
ist, schlug ich κατά ενιαυτόν vor. Doch kann es sich auch um
außerordentliche Opfer handeln.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 16. Abh.
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In dem Übergang solcher philosophischen Überzeugungen und § 99.
theoretischen Gesetze in das tatsächliche kultische Leben bildet
unsere Inschrift nun ein wichtiges Glied. Es scheint, daß wiederum
der Osten, Kleinasien und die Inseln, zuerst Ernst gemacht haben
mit der Forderung psychischer Reinheit für die Besucher eines
bestimmten Heiligtums. Man braucht also das Gebiet des Helle-
nismus nicht zu verlassen und ins Judentum zu gehen, um den
Schluß der Ps. Phokylidea zu erklären, V. 228 f.:
άγνείη ψυχής, ού σώματος, εΐσ'ι κα-9-αρμοί.
ταϋτα δικαιοσύνης μυστήρια.
Albrecht Dieterich, Nekyia 181 hat dafür auf pytha-
goreische, bezw. orphische Einflüsse hingewiesen; wie ich denke
mit Recht. Diese Kreise sind es auch, die wir für Philadelpheia in
Betracht ziehen müssen (vgl. oben § 82 ff.).
Noch auf eine andere vielbehandelte Frage wirft unser Text § 100.
Licht. Wie steht es mit der sittlichen Tendenz antiker Mysterien-
kulte ? Hat man von ihnen moralische Besserung erwartet, konnten
sie die fördern ? Man hat das teds verneint, teils hat man es,
mindestens für die Spätzeit, auch zugegeben (vgl. Dieterich,
a. a. 0. 66f.; Wächter 9L). Ich glaube, Stellen wie Andok. π. τ.
μυστ. I 31, Aristoph. Frösche 455ff. (Eleusis), vor allem Diodor
V 49, 6 (von den samothrakischen Mysterien): γενέσθαι δέ φασι
καί εύσεβεστέρους καί δικαιοτέρους καί κατά παν βελτίονας εαυτών τούς
των μυστηρίων κοινωνήσαντας zwingen uns, die Frage zu bejahen,
wie das nachdrücklich auch 0. Kern tut, PW. s. v. Kabeiros S. 18
des S. A. und Reformen der griech. Religion S. 20. Man könnte
die Worte Diodors gewiß auf die Mysterien übertragen, die im Hause
des Dionvsios gefeiert wurden. Tendenzen, die in einem Winkel-
kult Lydiens greifbar sind, werden wohl auch anderwärts voraus-
gesetzt werden dürfen, denn es ist doch klar, daß dieser ausgestaltet
ist nach dem Vorbild großer Mysterien.
Z. 55. § 101.
Die Ergänzung ist unsicher; aber da nach monatlichen Opfern
jährliche doch wohl am nächsten liegen, ένιαυσίαις jedoch zu kurz
ist, schlug ich κατά ενιαυτόν vor. Doch kann es sich auch um
außerordentliche Opfer handeln.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 16. Abh.
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