Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.
117
rümpf aus weit in die See hinaus. Das umgebende Meeresbecken
ist überall tief bis ans Ufer heran. Bei den vielen Wassergüssen,
die im Lauf der langen Zeit1 stattgefunden haben, hat die unter
ihrem Einfluß von der Höhe herabgeschwemmte Erde nirgends,
wie in anderen Gegenden, eine erwähnenswerte Aufschüttung vor-
lagern können, sondern ist immer ringsum spurlos in der Tiefe ver-
schwunden. So ist denn was übrig geblieben ist, wie bei denkleinen
Inseln, gleichsam nur das Knochengerüst eines durch Krankheit
angegriffenen Leibes. Die fette und weiche Erde ist heraus-
geschwemmt und allein das magere Gerippe des Landes ist noch
vorhanden. Einstmals, als dieses noch unversehrt war, gab es
in den Bergen hohe Erdhügel und die jetzt als Steinäcker bezeich-
neten Ebenen waren voll fetten Bodens, auch hatten die Berge
reichliche Bewaldung, wovon jetzt noch deutliche Spuren zu er-
kennen sind. Denn während jetzt einige der Berge nur noch den
Bienen Nahrung bieten, ist es nicht gar lange Zeit her, daß man
auch in ihnen für die größten Gebäude Sparrenholz fällen konnte,
und daraus gezimmerte Dächer sind noch heute erhalten. Die
Befeuchtung, die die jährlichen Niederschläge brachten, kam dem
Land wirklich zugute und ging ihm nicht verloren wie jetzt, wo
das Wasser vom nackten Boden ins Meer abfließt. Eine reichliche
Erdschicht nahm das Wasser auf und bewahrte es in einer um-
schließenden Tonschicht, die dafür sorgte, daß die eingesogene
Menge ganz allmählich von den Höhen aus nach den Einsenkungen
sich verteilte und so allerorten ergiebige Quellen und Wasserrinnen
speiste, für deren einstiges Bestehen heute noch übrig gebliebene
Weihestätten Zeugnis ablegen.“2
Ich muß mich hüten, daß der Stoff mir nicht zu gewaltig
anschwelle. Darum weiter nur einige flüchtigen Erinnerungen:
wie wunderbar ist die Schilderung des Sokrates durch den Mund
des trunkenen Alkibiades im Symposion! Ich kenne in der ganzen
Literatur keine zweite Stelle, wo uns die überwältigende Macht
einer starken und reinen Persönlichkeit so greifbar entgegentritt.
Auch typische Figuren — den Weltmann im Gegensatz zum
1 Wörtlich: „während der 9000 letzten Jahre: denn so weit liegt die
Zeit meiner Erzählung vor der unsrigen“.
2 Die Anordnung von Nom. 763ab hat nicht nur militärische Bedeu-
tung, sondern nimmt zugleich Bedacht auf praktischen Un erricht in der
Heimatkunde: κινδυνεύει γάρ ούδενος ελαττον μάθημα είναι δι’ άκριβείας
έπίστασ&αι πάντας τήν αυτών χώραν.
117
rümpf aus weit in die See hinaus. Das umgebende Meeresbecken
ist überall tief bis ans Ufer heran. Bei den vielen Wassergüssen,
die im Lauf der langen Zeit1 stattgefunden haben, hat die unter
ihrem Einfluß von der Höhe herabgeschwemmte Erde nirgends,
wie in anderen Gegenden, eine erwähnenswerte Aufschüttung vor-
lagern können, sondern ist immer ringsum spurlos in der Tiefe ver-
schwunden. So ist denn was übrig geblieben ist, wie bei denkleinen
Inseln, gleichsam nur das Knochengerüst eines durch Krankheit
angegriffenen Leibes. Die fette und weiche Erde ist heraus-
geschwemmt und allein das magere Gerippe des Landes ist noch
vorhanden. Einstmals, als dieses noch unversehrt war, gab es
in den Bergen hohe Erdhügel und die jetzt als Steinäcker bezeich-
neten Ebenen waren voll fetten Bodens, auch hatten die Berge
reichliche Bewaldung, wovon jetzt noch deutliche Spuren zu er-
kennen sind. Denn während jetzt einige der Berge nur noch den
Bienen Nahrung bieten, ist es nicht gar lange Zeit her, daß man
auch in ihnen für die größten Gebäude Sparrenholz fällen konnte,
und daraus gezimmerte Dächer sind noch heute erhalten. Die
Befeuchtung, die die jährlichen Niederschläge brachten, kam dem
Land wirklich zugute und ging ihm nicht verloren wie jetzt, wo
das Wasser vom nackten Boden ins Meer abfließt. Eine reichliche
Erdschicht nahm das Wasser auf und bewahrte es in einer um-
schließenden Tonschicht, die dafür sorgte, daß die eingesogene
Menge ganz allmählich von den Höhen aus nach den Einsenkungen
sich verteilte und so allerorten ergiebige Quellen und Wasserrinnen
speiste, für deren einstiges Bestehen heute noch übrig gebliebene
Weihestätten Zeugnis ablegen.“2
Ich muß mich hüten, daß der Stoff mir nicht zu gewaltig
anschwelle. Darum weiter nur einige flüchtigen Erinnerungen:
wie wunderbar ist die Schilderung des Sokrates durch den Mund
des trunkenen Alkibiades im Symposion! Ich kenne in der ganzen
Literatur keine zweite Stelle, wo uns die überwältigende Macht
einer starken und reinen Persönlichkeit so greifbar entgegentritt.
Auch typische Figuren — den Weltmann im Gegensatz zum
1 Wörtlich: „während der 9000 letzten Jahre: denn so weit liegt die
Zeit meiner Erzählung vor der unsrigen“.
2 Die Anordnung von Nom. 763ab hat nicht nur militärische Bedeu-
tung, sondern nimmt zugleich Bedacht auf praktischen Un erricht in der
Heimatkunde: κινδυνεύει γάρ ούδενος ελαττον μάθημα είναι δι’ άκριβείας
έπίστασ&αι πάντας τήν αυτών χώραν.