Metadaten

Domaszewski, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 2. Abhandlung): Zeitgeschichte bei roemischen Elegikern — Heidelberg, 1919

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37679#0014
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
14

Alfred von Domaszewski:

Bekanntlich ging die Prophezeiung wörtlich in Erfüllung.
Da dem Tiberius die Jahre seines Bruders Drusus, der im Jahre
9 v. Chr. im 30. Lebensjahre starb, zugelegt werden sollten, so
ist das Gedicht eben im Jahre 20 n. Chr. geschrieben. Damals
starb aber Germanicus und auf seinen Tod verfaßte der
römische Ritter1 Clutorius Priscus ein Leichencarmen, das
Tiberius fürstlich belohnte2. So darf man annehmen, daß er
es auch war, der mit diesem Gedicht auf den älteren Drusus
die gleiche Gunst bei Livia erbettelte.
Den Versuch Vollmers, diesen Poetaster zum Vorbild eines
Ovidius zu machen, kann ich nicht als geglückt betrachten. Viel-
mehr ist die leblose Art, wie der Dichter den Leichenzug schildert3,
ein Beweis, daß er nach einer literarischen Vorlage arbeitete.
Zu den Zügen des Gedichtes, die auf eine spätere Entstehung
als das Todesjahr des Drusus hinweisen, gehört auch die viel
behandelte Stelle:
283 adice Ledaeos, concordia sidera, fratres
templaque Romano conspicienda joro.
quam parvo numeros implevit principis aevo,
in patriam meritis occubuitque senex.
nec sua conspiciet (miserum me) munera Drusus
nec sua prae templi nomina fronte leget.
Daß die beiden ersten Verse sich auf den Gastortempel4 be-
ziehen, ist unbestreitbar. Aber im Jahre 9 v. Chr. konnte nie-
mand ahnen, daß Tiberius diesen Tempel, dessen Neubau im
Jahre 9 v. Chr. gar nicht begonnen hatte, im Jahre 7 n. Chr.
ex manibiis in seinem und seines Bruders Namen weihen werde.
Dagegen ist der Tempel, der nach den, wie ein Trennungsstrich
wirkenden, höchst ungeschickt eingeschobenen Versen, genannt
wird, der Concordiatempel5 6, den Tiberius im Jahre 7 v. Chr.
zu bauen unternahm. Nur der konnte mit sua munera6 bezeichnet
werden, da an diesem Baue auch Drusus Teil haben sollte.
1 Vgl. V. 202 funeris exequiis adsumus omnis eques.
2 Tacit. ann. 3, 49. Dio 57, 20, 3.
3 K. Schenkel, Wien. Stud. 2, 67.
4 Jordan, Topogr. 1, 2, 373.
5 Jordan, Topogr. 1, 2, 336.
6 Ovid ars am. 1, 69 aut ubi muneribus nati sua munera mater addidit.
Auch dieser Vers ist schlecht benützt. Denn Dio sagt 55, 8, 2 vö 'Ogovosiov
gcutV sccutm ETuioxsuaaou “poaTtz^a?, oTicoq to te i'Siov xod to toö Apouaou ovoga
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften