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Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0022
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Alte und neue Märchen.

Euangelium Mathei brechte in seiner Hebräischen Zungen1. Das ist
die älteste und — einzige Quelle für Nikolaus V. Bemühungen um
den hebräischen Matthäus! Es scheint mir zweifellos: die Nach-
richt ist erst aufgebracht worden, als die herrschende Ansicht vom
hebräischen Ur-Matthäus ernstlich gefährdet war. Beweisen ließ
sich seine einstige Existenz nicht, widerlegen ließ sich Erasmus’
Begründung: cum nemo testetur se vidisse ullum illius vestigium,
nicht, aber es war doch schon etwas, wenn ihn der Papst, der die
Bibliothek des heiligen Stuhls begründet hatte, um einen unge-
heueren Preis hatte suchen lassen. Ob Eck selbst diesen Not-
behelf erfunden, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls fußen auf
Eck alle späteren, die von Nikolaus V. und dem Ur-Matthäus
erzählen.
Auf Eck beruft sich Genebrard im vierten Buch seiner 1580
erschienenen Chronographie2, zum Jahr 1447, dem Jahr der Papst-
wahl Nikolaus V. Auf Genebrard wiederum stützt sich Domenico
Giorgi3 in seinem 1742 herausgegebenen Leben Nikolaus V.;
die Aussetzung dieses hohen Preises, sagt er, adeo Scriptoribus et
Chronographis mirabile Visum est, ut in publicas tabulas retulerint;
hierzu zitiert er neben Genebrard noch Raynaldus ad ann. 1453
num. 25, und da steht in der Tat4, Manetti habe im Leben Niko-
laus V. die Aussetzung der quinque millia aureorum auf die Findung
des hebräischen Matthäus erzählt. Kein Wort davon erzählt
Manetti5! Trotzdem erscheint das Zitat als Beleg für die Suche
nach dem Ur-Matthäus in Voigts Wiederbelebung des klassischen
1 Johann Eck, Der Drit Thail Christenlicher Predigen (Ingolstadt) 1531
BI. CCXXIIIIV; Homiliarium T. III, Paris 1561, Bl. 334.
2 Gilb. Genebrardi Chronographiae libri IV, Paris 1580, S. 393 (viel-
mehr: 423, denn S. 397 —432 fehlen in der Zählung, nach 396 wiederholt sich
die Zählung von 367 bis 402 noch einmal).
3 Dominicus Georgius, Vita Nicolai Quinti, Rom 1742, S. 196f.
4 Raynaldus, Annales ecclesiastici, T. 18, 1693, S. 418: Tradit (Manetti
in vita Nie. V) eundem Nicolaum quinque millia aureorum pollicitum illi, qui
evangelium S. Matthaei Hebraice scriptum ad ipsum perferret.
5 Die Stelle bei Manetti, Vita Nicolai V., in: Rer. Ital. Script, ed.
Muratori, T. III, P. 2, Mailand 1734, S. 926 lautet: quot insuper in Graeciam
ipsam et ante et post deplorandam Constantinopolis captivitatem eruditos viros
magnis cum salariis, ingentibusque emendorum et perferendorum carorum codicum
commissionibus destinaverat. — Daß die Erzählung von dem Ur-Matthäus in
einer von Raynaldus benutzten Handschrift Manettis gestanden habe, ist
nach dem, was wir von der Überlieferung wissen, möglich, aber nicht wahr-
scheinlich, wenn auch Muratoris Text nachweislich nicht ohne Lücken ist;
 
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