Sultan Murad III.
79
vor Sultan Selims Tod ist Sadeddin Murad zum „Sultanslehrer“
als Nachfolger des 1573 gestorbenen Ibrahim Efendi bestellt wor-
den. Aus dem Lehrer wurde nach der Thronbesteigung der bis
zum Tode des Schülers in hohem Einfluß stehende Vertraute1.
Die Gunst des Schülers und die Gelehrsamkeit des Lehrers fanden
sich vereint in dem Aufträge, den Sultan Murad dem Prinzen-
erzieher, Heeresrichter und nachmaligem Mufti Sadeddin erteilte,
die Geschichte des osmanischen Reiches von seiner Entstehung an
zu schreiben. So entstand die „Krone der Geschichten“, das
Musterwerk der osmanischen Reichshistoriographie. Murad ist es
gewesen, der das Amt des „Reichshistoriographen“ geschaffen, das
seitdem ein stehendes blieb, seine späteren Inhaber sind nur als
Fortsetzer von Sadeddin zu betrachten2. Was der venezianische
Gesandte Giacomo Soranzo 1576 Murad rühmend nachsagt3: non
si diletta d’altro che di studiare i libri della sua religione e le istorie
ed imprese fatte da1 suoi maggiori war also mehr als eine vorüber-
gehende, zeitvertreibende Liebhaberei.
Wäre demnach schon die eifersüchtige Sorgfalt, die Sultan
Murads Refehl jenen von Dominico geschilderten herrlichen alten
griechischen Handschriften angedeihen ließ, aus seiner Vorliebe
für die libri überhaupt erklärlich, so erhält sie doch ihre voll-
kommenste Beleuchtung erst aus einem anderen Betrachtungs-
winkel.
In die Regierung Sultan Murad III. fällt die Blütezeit der
türkischen Schönschreibekunst. Für sie haben sich damals in
Konstantinopel, von der besonderen Gunst gepflegt, zahlreiche
Hände in weder zuvor noch nachher erreichtem Geschick gerührt.
Um den Besitz kalligraphischer Meisterwerke haben zu jener Zeit
1 Relazioni ed. Alberi III, 3, S. 435f., Matteo Zane 1594: . . . dirö
solamente del coza de Gran Signore, che non e ufficio ma titule di maestro
o precettore. Questo e turco naturale, vecchio, astuto e stimato di gran
dottrina, ed e molto creduto da Sua Maestä; ed io mi sono valso di lui piuttosto
per far portar al re direttamente le cose . . . Egli e chiamato alle volte dal
re al chiosco, dove ha usato pure in mio tempo di domandare alcuni bassä. . .
e usa la Maestä Sua di scrivere a questo coza, ricercandone il parere sopra
diverse materie . . . segno estraordinario di amore e di rispetto.
2 Hammer, Geschichte der osmanischen Dichtkunst. Bd. 3, Pest 1837,
S. 98ff.; Ders.: Geschichte des osmanischen Reiches, Bd. 1, Pest 1827,
S. XXXVII; Bd. 3, Pest 1828, S. 794; Bd. 4, Pest 1829, S. 702; Ders. in:
Journal asiatique, T. 4, Paris 1824, S. 32ff.
3 Relazioni ed. Abberi III, 2, S. 196.
79
vor Sultan Selims Tod ist Sadeddin Murad zum „Sultanslehrer“
als Nachfolger des 1573 gestorbenen Ibrahim Efendi bestellt wor-
den. Aus dem Lehrer wurde nach der Thronbesteigung der bis
zum Tode des Schülers in hohem Einfluß stehende Vertraute1.
Die Gunst des Schülers und die Gelehrsamkeit des Lehrers fanden
sich vereint in dem Aufträge, den Sultan Murad dem Prinzen-
erzieher, Heeresrichter und nachmaligem Mufti Sadeddin erteilte,
die Geschichte des osmanischen Reiches von seiner Entstehung an
zu schreiben. So entstand die „Krone der Geschichten“, das
Musterwerk der osmanischen Reichshistoriographie. Murad ist es
gewesen, der das Amt des „Reichshistoriographen“ geschaffen, das
seitdem ein stehendes blieb, seine späteren Inhaber sind nur als
Fortsetzer von Sadeddin zu betrachten2. Was der venezianische
Gesandte Giacomo Soranzo 1576 Murad rühmend nachsagt3: non
si diletta d’altro che di studiare i libri della sua religione e le istorie
ed imprese fatte da1 suoi maggiori war also mehr als eine vorüber-
gehende, zeitvertreibende Liebhaberei.
Wäre demnach schon die eifersüchtige Sorgfalt, die Sultan
Murads Refehl jenen von Dominico geschilderten herrlichen alten
griechischen Handschriften angedeihen ließ, aus seiner Vorliebe
für die libri überhaupt erklärlich, so erhält sie doch ihre voll-
kommenste Beleuchtung erst aus einem anderen Betrachtungs-
winkel.
In die Regierung Sultan Murad III. fällt die Blütezeit der
türkischen Schönschreibekunst. Für sie haben sich damals in
Konstantinopel, von der besonderen Gunst gepflegt, zahlreiche
Hände in weder zuvor noch nachher erreichtem Geschick gerührt.
Um den Besitz kalligraphischer Meisterwerke haben zu jener Zeit
1 Relazioni ed. Alberi III, 3, S. 435f., Matteo Zane 1594: . . . dirö
solamente del coza de Gran Signore, che non e ufficio ma titule di maestro
o precettore. Questo e turco naturale, vecchio, astuto e stimato di gran
dottrina, ed e molto creduto da Sua Maestä; ed io mi sono valso di lui piuttosto
per far portar al re direttamente le cose . . . Egli e chiamato alle volte dal
re al chiosco, dove ha usato pure in mio tempo di domandare alcuni bassä. . .
e usa la Maestä Sua di scrivere a questo coza, ricercandone il parere sopra
diverse materie . . . segno estraordinario di amore e di rispetto.
2 Hammer, Geschichte der osmanischen Dichtkunst. Bd. 3, Pest 1837,
S. 98ff.; Ders.: Geschichte des osmanischen Reiches, Bd. 1, Pest 1827,
S. XXXVII; Bd. 3, Pest 1828, S. 794; Bd. 4, Pest 1829, S. 702; Ders. in:
Journal asiatique, T. 4, Paris 1824, S. 32ff.
3 Relazioni ed. Abberi III, 2, S. 196.