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Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0091
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Sultan Murad III.

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Konnte er sie auch nicht lesen, so waren sie doch für sein verständnis-
volles Auge großartige Zeugen einer, wenn auch fremden, Buch-
kunst, ein Schatz wie er, — das wird vielleicht er selbst, sicher
aber seine gelehrte Dienerschaft gewußt haben —, schon damals
nicht mehr bei allem Suchen um Goldeslohn aufzutreiben gewesen
wäre. Der Mäcen türkischer Kalligraphie hat vor den Zeugen
uralter griechischer Unziale eine aus seiner Liebhaberei geborene
Achtung gehabt, die ihm unvergessen bleiben soll.
Seit wann aber bestand jene Bibliothek? Wer hat
ihr das Heim dietro Le stanze de’ Camerieri e Paggi im dritten Hof des
Serai geschaffen? Jene von Dominico geschilderten kost-
baren Handschriften können, wie man mit Sicherheit an-
nehmen darf, nur aus den Kirchen und Palästen von Kon-
stantinopel stammen, sind also seit den Tagen der Er-
oberungimBe sitz der Sultane gewesen. Wer den Handschriften
eine Behausung gegeben, das lehrt vielleicht noch einmal, wenn die
Orientalisten helfen, eine Baugeschichte des Serai. Ist es Murad
gewesen oder schon einer seiner Vorfahren? Jedenfalls erscheint
das Geschenk von Handschriften, das Sulejman anMendoza machte
(siehe oben S. 31), nun in einem anderen Lichte: der Sultan kann
damals jene griechischen Handschriften einer im Serai bestehen-
den, auch griechische Handschriften enthaltenden Bibliothek ent-
nommen haben.
Was aber ist aus jenen herrlichen Handschriften,
die Dominico sah, geworden? Sind die kostbaren Einbände
zuletzt doch der zunehmenden pathologischen Habgier Sultan
Murads zum Opfer gefallen, und die ihrer beraubten Pergamente
dann zugrunde gegangen?1 — Wir wissen es nicht. —
Über seine Erlebnisse in Konstantinopel, über alles, was er
dort gesehen, Stillschweigen zu bewahren hat Dominico schwerlich
Veranlassung gehabt und auch gewiß nicht bis zu dem Zeitpunkt,
da uns seine Aufzeichnungen begegnen (1611), bewahrt. In Italien
1 Vgl. die Relazione dello stato nel quäle si ritrova il governo deU’Impero
Turchesco quest’anno 1594 ... im Cod. Ital. Fol. 2 der Preuß. Staatsbibliothek,
Berlin, Bl. 513: Usa (Murad) di piü cosa c/i’e dispiaciuta molto a Turchi, mas-
sime a Grandi della Corte che di tutti li donativi fatti agVImperadori suoi preces-
sori, come di seile guarnite d’argento, e cose simili, che importavano un Tesoro
per Voro, et gioielli di scimitare, et Vasi d'oro, che erano admirabili per Varti-
jicio, egli ha fatto levare Vargento et fattone Aspri. Uoro poi Vha ridotto in sul-
tanini, riponendoli nella sua cava, et delle gioie ne ha fatto particolar ricolta in
un suo Gabinetto. — Vgl. Ranke a. a. O. S. 29.

Sitzungsberichte der Heidelberger Akad , philos.-hist. Kl. 1919. 24. Abh

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