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Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0110
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98

Michel Baudier, Entstellung von Dominicos Text.

Erstens: Baudier hat die Mitteilung Dominicos, daß der Sultan
stets nella sua camera, in zwei Glasschränken verwahrt, ein paar
Dutzend mit Miniaturen versehene Bücher bei sieh habe, ohne
weiteres der Beschreibung, die Bon von einem bestimmten Schlaf-
zimmer des Sultans in einem bestimmten Sommerkiosk in den
Gärten des Serai gibt, einverleiht.
Zweitens hat Baudier entgegen der ausdrücklichen Angabe
Dominicos, daß beide Bibliotheken im dritten Hofe des Serai liegen,
die Libreria secreia, die Dominico attaccata alle stanze des Sultans
nennt, ohne weiteres neben das von Bon beschriebene in einem
Sommerkiosk in den Gärten gelegene Schlafzimmer des Sultans
verlegt.
Drittens: Baudier hat die Libreria commune, deren Lage
Dominico mit den Worten dietro le stanze de Camerieri, e Paggi
im dritten Hofe genau festlegt, mit den Worten vers le departement
de ceux qui servent la Chambre et des Pages heimatlos gemacht, denn
wo dieses Departement lag, sagt er in seiner Histoire nirgends.
Viertens und vor allem: Baudier hat braccia mit brasses
geglichen, wodurch die Nachricht über die Handschriften einiger-
maßen kritischen oder erfahrenen Leser als aus dem Reich der
Phantasie kommend erscheinen mußte, denn Handschriften, die
eine Höhe von zwei Klaftern d. h. 3.24 (= 2 x 1.62) m gehabt
hätten, hat es nie und nirgends gegeben.
In dieser völlig entstellten Form ist die Nachricht,
die Dominico gegeben, in aller Welt bekannt geworden!
In ungezählten Exemplaren ist Baudiers Compilation während
des 17. Jahrhunderts verbreitet gewesen. Neue Ausgaben erschie-
nen 1626, 1631, 1638 — in diesem Jahre gleich zwei auf einmal —,
1642, 1652, eine englische Übersetzung kam 1635 heraus, zusammen
mit der französischen Übersetzung des Chalcondyles wurde das
Buch 1650 und 1662 neu gedruckt. Aus ihm ging die Nachricht
über die Handschriften im Serai in das Werk eines höfischen
Kollegen Baudiers, Pierre Davity, über, das ebenfalls im 17. Jahr-
hundert oft aufgelegt und übersetzt worden ist1. Aus Baudier, ihn
1 Les Estats, empires, royaumes et principautez du monde . . . Par
le sieur D. T. V. Y. Gentilhomme Ordinaire de la Chambre du Roy [d. i.
Pierre Davity] ,Lyon 1659, 2°, S. 544. — Lat. Übers.: Archontologia cosmica
sive imperiorum . . . per totum orbem commentarii luculentissimi. . . opera
et studio Jo. Ludovici Gotofredi qui eos primo gallice per D. T. V. Y. ... con-
scriptos ... in sermonem Latinum convertit . . . Frankfurt a. M. 1628, 2°,
S. 641. — Baudier wird als Quelle genannt.
 
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