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Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0141
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Prinz und Sultan Mustafa.

129

Das Leben Mustafas, das nicht ganz 50 Jahre währte, ist,
abgesehen von den wenigen Monaten seiner Regierung — es sind
zusammen kaum 21 —, ein Leben der Gefangenschaft im Serai
gewesen. Daß dieses Leben ein natürliches Ende nahm, daß nie
die Mörderhand sich daran wagte, findet eine Erklärung dadurch,
daß Schwachsinn dem Islam als Wahrzeichen der Heiligkeit gilt.
Und schwachsinnig war Mustafa oder galt doch dafür. Ob er es
in seiner Jugend schon war oder sich aus Vorsicht nur so stellte,
wie man wissen wollte, ist nicht zu entscheiden, und fraglich bleibt
deshalb auch, ob nur die Gewißheit, daß der Bruder nicht zu
fürchten sei, oder ein echtes menschliches Gefühl Ahmed zur
Schonung Mustafas vermochte: man wollte wissen, daß Ahmed
ihn wirklich liebte, ja ernsthaft seinen Rat suchte. Das aber steht
fest, daß Mustafa, beaufsichtigt oder bewacht, in völliger Zurück-
gezogenheit innerhalb des Serai in den ihm angewiesenen Räumen
lebte, über Spaziergänge in den weiten Gärten dort ist seine Frei-
heit nicht hinausgekommen. Solche Gefangenschaft hätte allein
genügt, um ihn zum regieren so unfähig zu machen, wie er sich
1617 sofort aufs deutlichste erwies, sie hat vielleicht auch sonst
seine geistigen Fähigkeiten arg geschädigt. Schwerlich hätte Osman
ihn am Leben gelassen, hätte er nicht wirklich den Eindruck eines
Schwachsinnigen gemacht, und ebenso muß er auf Muracl gewirkt
haben. Aber welchen Umfang hatte dieser Schwachsinn ange-
nommen, dauerte er an oder trat er nur zuweilen zutage ? Osman
hat die leichte Gefangenschaft, in der Ahmed Mustafa gehalten
hatte, zu einer strengen gemacht, Murad sie vielleicht wieder
gemildert, ihn zu töten hat der eine so wenig gewagt wie der andere.
Die Legende umgab Mustafa, niemand bekam ihn zu sehen, und
doch kannten den „Heiligen“ alle, wollten wissen, daß er Murad
mit offenem Tadel entgegenzutreten wagte, erzählten, daß er, der
doch im Serai gefangen saß, wundersam mitten im Heere in Persien
gesehen worden sei* 1.

osmanischen Reiches, Bd. 3 (Allgemeine Staatengeschichte, Werk 37,
Bd. 3), Gotha 1910, S. 441 f., 449.
1 Vgl. zum vorstehenden: Le Relazioni degli stati europei lette al senato
-dogli ambasciatori veneziani nel secolo XVII raccolte ed annotate da N. Ba-
rozzi e G. Berchet. Turchia, Vol. unico P. I, Venezia 1871: Relazione del
Simone C.ontarini ritornato 1612, S. 132; Relazione del bailo Cristoforo Valier
letta 1616, S. 292; Relazione di Alvise Contarini dell’anno 1636 al 1641,
S. 366; P. II, Venezia 1873, Relazione di Giovanni Capello 1634, S. 34;
Sitzungsberichte der Heidelberger Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 24. Abh. 9
 
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