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Warburg, Aby Moritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 26. Abhandlung): Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37732#0018
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18

A. Warburg:

Die Reinholdsche Gestirnstellung aber steht, was bisher der
Forschung entgangen ist, in engstem Zusammenhang mit astro-
logischen Kompromiß versuchen Melanchthons aus jener Periode,
wo er, nach dem Heydenreichschen Bericht, noch im Kampf mit
Luther um das Geburtsjahr stand. Später hat Melanchthon frei-
lich in der Biographie und im Dekanatsbuch der Universität
Wittenberg das Jahr 1483 als das offizielle Geburtsdatum Luthers
festgelegt32, trotzdem sehen wir ihn noch im Jahre 1539 in einem
Briefe an Osiander im Schwanken. Er schreibt: ,,Über Luthers
Geburtszeit sind wir im Zweifel. Der Tag ist zwar sicher, auch
beinahe die Stunde, Mitternacht, wie ich selbst aus dem Munde
seiner Mutter gehört habe. 1484 meine ich, war das Jahr.
Aber wir haben mehrere Horoskope gestellt. Gauricus billigte das
Thema von 1484.“33 Er hatte also die Mutter Luthers selbst
befragt. Dadurch stand der Tag für ihn fest, auch die Stunde
— um Mitternacht, wenn auch mit der Einschränkung: beinahe
— er entscheidet sich aber damals noch für das Jahr 1484, ganz
unwiderleglich unter dem Einfluß des Gauricus.
Das Bruchstück der Abschrift eines bisher unbekannten
Briefes Melanchthons an Schoner in jener Münchner Handschrift
(Cod. lat. 27003, vgl. Taf. II)34— der Brief wird wohl ungefähr
in die Zeit des Be.suches von Gauricus in Wittenberg zu datieren
sein — zeigt Melanchthon nur noch viel deutlicher zu einschnei-
dendem astrologischen Eingriff in der Geburtstagsfrage geneigt
und zwar unter dem Einfluß Carions. Die Briefstelle lautet: Phi-
lippus ad Schonerum Genesim Lutheri quam Philo35 inquisiuit
transtulit Carion in horarn 9. Mater enim dicit Lutherum natum
esse ante dimidium noctis (sed puto eam fefelli [/]) Ego alteram
figuram praefero et praefert ipse Carion Etsi quoque haec est mirri-
fica [/] est propter locum ch- \Martis] et o— [coniunctionem] in
domos [/] 5° quae habet coniunctionem magnam cum ascendente
Caeterum quacunque hora natus est hac [/] mira er- [coniunctio]
in ?2 [scorpione] non potuit non efficere uirum acerrimum. Daß
32 Darüber vgl. J. K. F. Knaake, Stoffsichtung z. krit. Behandlung des
Lebens Luthers. 1. Luthers Geburtsjahr (Ztschr. f. d. ges. luth. Theol. und
Kirche XXXIII, 1872, S. 96f.).
33 CR. IV. 1053.
34 Fol. 16.
35 Philo ist der Arzt Joh. Pfeyl (1496—1541) — ein Nachweis, den ich
der steten Hilfsbereitschaft Prof. Flemmings verdanke.
 
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