Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten. 19
Garion bei Ausprägung dieser vermittelnden aber im' Grunde
heidnisch-italienischen Willkür die Vermittlerrolle spielte, stimmt
damit überein, daß er ursprünglich Luther gegenüber eine
abweisend-nichtgläubige Stellung eingenommen hat. Luther selbst
bezeugt ja, daß er ihm einmal früher, als er noch sein Feind war,
Tag und Stunde seiner Verbrennung als Ketzer prophezeite36.
Garion dachte also über Luther zu einer früheren Zeit im Sinne
des Gauricus. Wie der Brief zeigt, war Carion der Hauptgewährs-
mann Melanchthons für die Geburtstagsverschiebung und Carion
stützte sich dabei seinerseits wiederum auf den Arzt Johann Pfeyl37,
der lange in Italien war — beide in deutlichstem Anschluß
an Lucas Gauricus. Carion und Pfeyl schlagen Abweichungen
nur in bezug auf die Geburtsstunde vor — Carion ist für 9 Uhr,
Pfeyl für 3 Uhr 22 entgegen Gauricus, der 1 Uhr 10 vorschlägt —,
lassen aber im Horoskop den 22. Oktober 1484 als Tages datum
bestehen.
Philo behält noch die Planeten-Konjunktion des Gauricus im
wesentlichen bei (im neunten Haus), Carion kommt dagegen durch
seine Verschiebung auf die neunte Stunde zu wesentlich einschnei-
denderer Änderung. Die fatale Planeten-Konjunktion kommt aus
dem neunten Haus in das fünfte, und der Mars ist nicht mehr im
ersten Haus sondern im zehnten. So wurde Luthers Geburt das
Odium der dämonischen Sendung genommen, ohne dem Hinweis
auf seine Eigenschaft als religiöser Umgestalter etwas an Nach-
druck zu nehmen.
Melanchthon billigte also Carions Nativitätsstellung, so
daß wir anzunehmen haben, daß er eine Zeitlang geneigt war,
auch dieses zweite hypothetische, astrologische Geburts-T a ge s -
Datum durchaus in ernsthafte Erwägung zu ziehen.
Stand Melanchthon dieser Geburtstagsverschiebung schließ-
lich, wohl wegen Luthers Gegnerschaft, ablehnend gegenüber, so
offenbart uns die Stellungnahme Reinholds, des offiziellen Wit-
tenberger Mathematikers, die ganze Stärke einer noch andauernden
Parteinahme für jenes falsche Gauricusdatum im Horoskop des
Carion, das, wie ein genauer Vergleich mit der Münchener Hand-
schrift ergibt—was hier nur angedeutet werden kann —, Reinhold
einfach bis ins Kleinste in der Redaktion von Carion und Pfeyl
36 Tischreden (Weimar) II, 445, Anfang Januar 1532.
37 Vgl. Pfeyls Nativität Luthers im Monac. lat. 27 003 fol. 17, die bis
auf die Stunde (3 Uhr 22 statt 1 Uhr 10) mit der des Gauricus identisch ist.
2*
Garion bei Ausprägung dieser vermittelnden aber im' Grunde
heidnisch-italienischen Willkür die Vermittlerrolle spielte, stimmt
damit überein, daß er ursprünglich Luther gegenüber eine
abweisend-nichtgläubige Stellung eingenommen hat. Luther selbst
bezeugt ja, daß er ihm einmal früher, als er noch sein Feind war,
Tag und Stunde seiner Verbrennung als Ketzer prophezeite36.
Garion dachte also über Luther zu einer früheren Zeit im Sinne
des Gauricus. Wie der Brief zeigt, war Carion der Hauptgewährs-
mann Melanchthons für die Geburtstagsverschiebung und Carion
stützte sich dabei seinerseits wiederum auf den Arzt Johann Pfeyl37,
der lange in Italien war — beide in deutlichstem Anschluß
an Lucas Gauricus. Carion und Pfeyl schlagen Abweichungen
nur in bezug auf die Geburtsstunde vor — Carion ist für 9 Uhr,
Pfeyl für 3 Uhr 22 entgegen Gauricus, der 1 Uhr 10 vorschlägt —,
lassen aber im Horoskop den 22. Oktober 1484 als Tages datum
bestehen.
Philo behält noch die Planeten-Konjunktion des Gauricus im
wesentlichen bei (im neunten Haus), Carion kommt dagegen durch
seine Verschiebung auf die neunte Stunde zu wesentlich einschnei-
denderer Änderung. Die fatale Planeten-Konjunktion kommt aus
dem neunten Haus in das fünfte, und der Mars ist nicht mehr im
ersten Haus sondern im zehnten. So wurde Luthers Geburt das
Odium der dämonischen Sendung genommen, ohne dem Hinweis
auf seine Eigenschaft als religiöser Umgestalter etwas an Nach-
druck zu nehmen.
Melanchthon billigte also Carions Nativitätsstellung, so
daß wir anzunehmen haben, daß er eine Zeitlang geneigt war,
auch dieses zweite hypothetische, astrologische Geburts-T a ge s -
Datum durchaus in ernsthafte Erwägung zu ziehen.
Stand Melanchthon dieser Geburtstagsverschiebung schließ-
lich, wohl wegen Luthers Gegnerschaft, ablehnend gegenüber, so
offenbart uns die Stellungnahme Reinholds, des offiziellen Wit-
tenberger Mathematikers, die ganze Stärke einer noch andauernden
Parteinahme für jenes falsche Gauricusdatum im Horoskop des
Carion, das, wie ein genauer Vergleich mit der Münchener Hand-
schrift ergibt—was hier nur angedeutet werden kann —, Reinhold
einfach bis ins Kleinste in der Redaktion von Carion und Pfeyl
36 Tischreden (Weimar) II, 445, Anfang Januar 1532.
37 Vgl. Pfeyls Nativität Luthers im Monac. lat. 27 003 fol. 17, die bis
auf die Stunde (3 Uhr 22 statt 1 Uhr 10) mit der des Gauricus identisch ist.
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