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Otto Cartellieri:
wird endlich auch er berufen; seine Willenskraft, sein leidenschaft-
licher Eifer, den eine ruhige Überlegung zu zügeln weiß, verschaffen
ihm den maßgebenden Einfluß. Zu seiner Freude scheiterten die
Verhandlungen, die mit dem Oranier angeknüpft worden waren.
,,Man verhandelt nicht mit Brandstiftern“. Der Kampf mußte
weitergeführt werden. Rogier bringt einen abenteuerlichen, aber
erfahrenen Offizier, Van Haelen, dazu, den Befehl über die Blusen-
männer zu übernehmen. Es gilt, die Holländer aus dem Park
zu werfen. Schwere, aber ruhmreiche Tage folgen. Freiwillige
eilen allerwärts aus dem Lande zu den Barrikaden, gerade recht-
zeitig treffen aus Frankreich dort wohnhafte Belgier ein. Gar
mancher muß sein Leben in dem erbitterten Handgemenge lassen,
aber das Blut fließt nicht vergeblich. Die regulären Truppen
weichen dem wütenden Ungestüm der Aufständischen, in der
Nacht auf den 27. September rückt der Prinz von Oranien ab.
Die Revolution hat gesiegt, der Park wird zum Grab der oranischen
Dynastie.
,,En quatre jours de sublime colere, le peuple pulverisa le
sceptre hollandais.“
Jetzt hieß es, das Errungene zu behaupten: Was sollte aus
Belgien werden ? Scharf prallten die Ansichten aufeinander. De
Potter, aus der Verbannung zurückgekehrt und mit Jubel emp-
fangen, forderte die sofortige Errichtung einer Republik. Doch
davon wollte Rogier nichts wissen. Er war hier für vorsichtiges
Abwarten, schon mit Rücksicht auf die Großmächte, die man nicht
von vornherein vor den Kopf stoßen durfte. Der Geist der heiligen
Allianz war noch nicht erloschen. Mit Mühe gelang es Rogier,
die Gegensätze auszugleichen. Am 4. Oktober wurde Belgien für
unabhängig erklärt, zwei Tage darauf entschied sich der Verfassungs-
ausschuß für die Monarchie. Die verhaßtesten Einrichtungen, die
entehrenden Strafen wurden sogleich abgeschafft, Kirche und
Unterricht, Presse und Theater aller hemmenden Bande befreit.
Das Versammlungsrecht wurde zugestanden. Ein National-
kongreß sollte über die Geschicke des Landes entscheiden. Überall
war Rogier dabei, niemals versagte sein Eifer. Nur wenige Stunden
Schlaf auf einer Matratze und wieder hinein in das Getriebe,
helfend, vermittelnd, anfeuernd, mit eiserner Energie auf das
Ziel hinsteuernd, auf die Unabhängigkeit und Selbständigkeit
Belgiens. In Brüssel am Werke und außerhalb. Im Borinage ließen
sich die Grubenarbeiter zu üblen Ausschreitungen hinreißen.
Otto Cartellieri:
wird endlich auch er berufen; seine Willenskraft, sein leidenschaft-
licher Eifer, den eine ruhige Überlegung zu zügeln weiß, verschaffen
ihm den maßgebenden Einfluß. Zu seiner Freude scheiterten die
Verhandlungen, die mit dem Oranier angeknüpft worden waren.
,,Man verhandelt nicht mit Brandstiftern“. Der Kampf mußte
weitergeführt werden. Rogier bringt einen abenteuerlichen, aber
erfahrenen Offizier, Van Haelen, dazu, den Befehl über die Blusen-
männer zu übernehmen. Es gilt, die Holländer aus dem Park
zu werfen. Schwere, aber ruhmreiche Tage folgen. Freiwillige
eilen allerwärts aus dem Lande zu den Barrikaden, gerade recht-
zeitig treffen aus Frankreich dort wohnhafte Belgier ein. Gar
mancher muß sein Leben in dem erbitterten Handgemenge lassen,
aber das Blut fließt nicht vergeblich. Die regulären Truppen
weichen dem wütenden Ungestüm der Aufständischen, in der
Nacht auf den 27. September rückt der Prinz von Oranien ab.
Die Revolution hat gesiegt, der Park wird zum Grab der oranischen
Dynastie.
,,En quatre jours de sublime colere, le peuple pulverisa le
sceptre hollandais.“
Jetzt hieß es, das Errungene zu behaupten: Was sollte aus
Belgien werden ? Scharf prallten die Ansichten aufeinander. De
Potter, aus der Verbannung zurückgekehrt und mit Jubel emp-
fangen, forderte die sofortige Errichtung einer Republik. Doch
davon wollte Rogier nichts wissen. Er war hier für vorsichtiges
Abwarten, schon mit Rücksicht auf die Großmächte, die man nicht
von vornherein vor den Kopf stoßen durfte. Der Geist der heiligen
Allianz war noch nicht erloschen. Mit Mühe gelang es Rogier,
die Gegensätze auszugleichen. Am 4. Oktober wurde Belgien für
unabhängig erklärt, zwei Tage darauf entschied sich der Verfassungs-
ausschuß für die Monarchie. Die verhaßtesten Einrichtungen, die
entehrenden Strafen wurden sogleich abgeschafft, Kirche und
Unterricht, Presse und Theater aller hemmenden Bande befreit.
Das Versammlungsrecht wurde zugestanden. Ein National-
kongreß sollte über die Geschicke des Landes entscheiden. Überall
war Rogier dabei, niemals versagte sein Eifer. Nur wenige Stunden
Schlaf auf einer Matratze und wieder hinein in das Getriebe,
helfend, vermittelnd, anfeuernd, mit eiserner Energie auf das
Ziel hinsteuernd, auf die Unabhängigkeit und Selbständigkeit
Belgiens. In Brüssel am Werke und außerhalb. Im Borinage ließen
sich die Grubenarbeiter zu üblen Ausschreitungen hinreißen.