Charles Rogier.
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Rogier eilte nach Mons und brachte die Trutzigen, die nach Herzens-
lust zerstört und geplündert hatten, zur Ordnung und Ruhe. In
Antwerpen verweigerten die Truppen den Gehorsam. Rogier
gelang es, die Disziplin wiederherzustellen. Gerade während seiner
Anwesenheit ließ der Kommandant der Zitadelle, General Chasse,
die Stadt beschießen: eine unglückliche, ganz nutzlose Tat, die
Rogier und alle Patrioten den Holländern nie verziehen haben.
Ein „Strom von Feuer und Blut“ trennte nunmehr die nördlichen
und südlichen Niederlande.
Am 10. November 1830 begann der Nationalkongreß zu tagen.
Rogier stand auf der Vertreterliste der Lütticher erst als sechster,
die Gegner der Revolution hatten daselbst Oberwasser bekommen.
Enter den 200 Mitgliedern waren fast alle Führer der „Union“
vertreten; Liberale — Radikale und Doktrinäre — und Katho-
liken — zumeist liberale — hielten sich ziemlich die Wage. Das
Land hatte seine besten Kräfte aufgeboten. Die Verfassung, die
in zwei Monaten ausgearbeitet wurde, stellt den Abgeordneten das
beste Zeugnis aus. Zahlreiche vorzügliche Redner zeichneten sich
aus, Rogier stand mit in vorderster Reihe.
Der kräftige Nacken trägt den mächtigen Kopf mit der wal-
lenden Löwenmähne. Sein lächelndes Antlitz verrät seine Gut-
mütigkeit, aber seine Augen können doch recht durchdringend
blicken und zeigen, daß er wohl weiß, was er will. Erhebt
sich Rogier, um zu sprechen, tritt sofort Ruhe ein; auch wenn die
Wogen noch so hoch gehen, vermag die weittragende Stimme
mit ihrem schönen, vollen Klang Aufmerksamkeit zu erzwingen.
Die Grundnote seiner Rede ist ernst, oft feierlich. Leicht fällt er
in sein echt romanisches Pathos und spricht mit hinreißendem
Schwung. Auf Zwischenrufe antwortet er mit liebenswürdiger
Gutmütigkeit ; aber er hält sich nicht gern bei Unbedeutendem
auf, bald ist er wieder mitten im Strome sachlicher Ausführungen.
J’ai l’äme fiere et l’humeur inegale;
Tantöt eile est aimable et tolle de gälte,
Et puis changeant avec rapidite,
Elle devient sombre et brutale.
Sans etre tres müchant, je suis un peu railleur:
J’ai toujours eu le mensonge en horreur.
En amitie je suis sincere,
Tendre en amour, mais trop jaloux,
hatte er als Jüngling von sich gesagt.
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Rogier eilte nach Mons und brachte die Trutzigen, die nach Herzens-
lust zerstört und geplündert hatten, zur Ordnung und Ruhe. In
Antwerpen verweigerten die Truppen den Gehorsam. Rogier
gelang es, die Disziplin wiederherzustellen. Gerade während seiner
Anwesenheit ließ der Kommandant der Zitadelle, General Chasse,
die Stadt beschießen: eine unglückliche, ganz nutzlose Tat, die
Rogier und alle Patrioten den Holländern nie verziehen haben.
Ein „Strom von Feuer und Blut“ trennte nunmehr die nördlichen
und südlichen Niederlande.
Am 10. November 1830 begann der Nationalkongreß zu tagen.
Rogier stand auf der Vertreterliste der Lütticher erst als sechster,
die Gegner der Revolution hatten daselbst Oberwasser bekommen.
Enter den 200 Mitgliedern waren fast alle Führer der „Union“
vertreten; Liberale — Radikale und Doktrinäre — und Katho-
liken — zumeist liberale — hielten sich ziemlich die Wage. Das
Land hatte seine besten Kräfte aufgeboten. Die Verfassung, die
in zwei Monaten ausgearbeitet wurde, stellt den Abgeordneten das
beste Zeugnis aus. Zahlreiche vorzügliche Redner zeichneten sich
aus, Rogier stand mit in vorderster Reihe.
Der kräftige Nacken trägt den mächtigen Kopf mit der wal-
lenden Löwenmähne. Sein lächelndes Antlitz verrät seine Gut-
mütigkeit, aber seine Augen können doch recht durchdringend
blicken und zeigen, daß er wohl weiß, was er will. Erhebt
sich Rogier, um zu sprechen, tritt sofort Ruhe ein; auch wenn die
Wogen noch so hoch gehen, vermag die weittragende Stimme
mit ihrem schönen, vollen Klang Aufmerksamkeit zu erzwingen.
Die Grundnote seiner Rede ist ernst, oft feierlich. Leicht fällt er
in sein echt romanisches Pathos und spricht mit hinreißendem
Schwung. Auf Zwischenrufe antwortet er mit liebenswürdiger
Gutmütigkeit ; aber er hält sich nicht gern bei Unbedeutendem
auf, bald ist er wieder mitten im Strome sachlicher Ausführungen.
J’ai l’äme fiere et l’humeur inegale;
Tantöt eile est aimable et tolle de gälte,
Et puis changeant avec rapidite,
Elle devient sombre et brutale.
Sans etre tres müchant, je suis un peu railleur:
J’ai toujours eu le mensonge en horreur.
En amitie je suis sincere,
Tendre en amour, mais trop jaloux,
hatte er als Jüngling von sich gesagt.