12
Otto Cartellieri:
Nachdem der Nationalkongreß seinerseits die Unabhängigkeit
Belgiens (am 18. November 1830) erklärt hatte, entschied er sich
für die erbliche konstitutionelle repräsentative Monarchie unter
Ausschluß der Oranier. Auch Rogier hatte eine kurze Zeit republi-
kanische Anschauungen gehabt, sie aber bald überwunden. Wer
sollte Herrscher werden ? Das war die Hauptfrage, bei der die
Großmächte ganz besonders mitzusprechen hatten. Zur Genug-
tuung der Aufständischen waren sie dem Hilfsgesuch der Hol-
länder nicht nachgekommen. Nicht als deren Helfer, sondern
als Richter traten sie auf der Londoner Konferenz zusammen
(4. November). Das hatte allerdings auch für Belgien sein Miß-
liches: Die Konferenz wollte auch dem Kongreß ihre Entschei-
dungen aufoktroyieren, der Kongreß hingegen als Gleichstehender
mit ihr verhandeln. Die Anfänge waren immerhin für Belgien
verheißungsvoll : am 20. Dezember 1830 erkannten die Großmächte
die Unabhängigkeit Belgiens an. Ein Protokoll vom 20. Januar
1831 sprach auf Grund der Grenze von 1790 die Trennung der
beiden Länder aus. Alle Erwartungen der Belgier wurden zwar
nicht erfüllt, aber man brauchte die Hoffnung noch nicht ganz
aufzugeben. In England, zumal in Lord Palmerston, und in Frank-
reichs König sah Belgien warme Freunde und hilfsbereite Gönnern
Die Entsendung von Talleyrand, dem ,,achtzigjährigen Meister des
Verrats“, nach London, erregte allerdings lebhafte Mißstimmung.
Man wußte, daß er dem jüngsten Sprößling der europäischen
Staatenfamilie nicht die geringste Sympathie entgegenbrachte.
Er hielt nichts von den Belgiern, in denen er ungestüme, un-
ruhige und anmaßende Tollköpfe sah, die es nicht verdienten, daß
eine Regierung sich für sie bloßstelle. ,,Les Beiges peuvent choisir
pour roi celui qu’ils voudront, pourvu qu’ils n’en prennentaucun“,
soll der Boshafte gewitzelt haben. Da von Talleyrand nichts
Gutes zu erwarten war, mußten in Paris selbst desto stärkere
Hebel angesetzt werden. Rogiers Bruder Finnin fiel die Aufgabe
zu, daselbst Belgien zu vertreten. An Gegnern mangelte es ja in
Frankreich auch nicht. Allerorten stießen die Belgier auf die
Ansicht, daß bei ihnen bloß ,,das Weihwasser in Aufruhr geraten“,
daß ihre Revolution ein Werk der Priester und Jesuiten sei.
Gegenströmungen im Äußeren und nicht minder im Inneren.
,,So viel Blut soll vergeblich geflossen sein,“ schrie De Potter
wütend, als er sich mit seinen republikanischen Vorschlägen nicht
durchsetzte. Verschwand auch er von der Schaubühne, so fehlte
Otto Cartellieri:
Nachdem der Nationalkongreß seinerseits die Unabhängigkeit
Belgiens (am 18. November 1830) erklärt hatte, entschied er sich
für die erbliche konstitutionelle repräsentative Monarchie unter
Ausschluß der Oranier. Auch Rogier hatte eine kurze Zeit republi-
kanische Anschauungen gehabt, sie aber bald überwunden. Wer
sollte Herrscher werden ? Das war die Hauptfrage, bei der die
Großmächte ganz besonders mitzusprechen hatten. Zur Genug-
tuung der Aufständischen waren sie dem Hilfsgesuch der Hol-
länder nicht nachgekommen. Nicht als deren Helfer, sondern
als Richter traten sie auf der Londoner Konferenz zusammen
(4. November). Das hatte allerdings auch für Belgien sein Miß-
liches: Die Konferenz wollte auch dem Kongreß ihre Entschei-
dungen aufoktroyieren, der Kongreß hingegen als Gleichstehender
mit ihr verhandeln. Die Anfänge waren immerhin für Belgien
verheißungsvoll : am 20. Dezember 1830 erkannten die Großmächte
die Unabhängigkeit Belgiens an. Ein Protokoll vom 20. Januar
1831 sprach auf Grund der Grenze von 1790 die Trennung der
beiden Länder aus. Alle Erwartungen der Belgier wurden zwar
nicht erfüllt, aber man brauchte die Hoffnung noch nicht ganz
aufzugeben. In England, zumal in Lord Palmerston, und in Frank-
reichs König sah Belgien warme Freunde und hilfsbereite Gönnern
Die Entsendung von Talleyrand, dem ,,achtzigjährigen Meister des
Verrats“, nach London, erregte allerdings lebhafte Mißstimmung.
Man wußte, daß er dem jüngsten Sprößling der europäischen
Staatenfamilie nicht die geringste Sympathie entgegenbrachte.
Er hielt nichts von den Belgiern, in denen er ungestüme, un-
ruhige und anmaßende Tollköpfe sah, die es nicht verdienten, daß
eine Regierung sich für sie bloßstelle. ,,Les Beiges peuvent choisir
pour roi celui qu’ils voudront, pourvu qu’ils n’en prennentaucun“,
soll der Boshafte gewitzelt haben. Da von Talleyrand nichts
Gutes zu erwarten war, mußten in Paris selbst desto stärkere
Hebel angesetzt werden. Rogiers Bruder Finnin fiel die Aufgabe
zu, daselbst Belgien zu vertreten. An Gegnern mangelte es ja in
Frankreich auch nicht. Allerorten stießen die Belgier auf die
Ansicht, daß bei ihnen bloß ,,das Weihwasser in Aufruhr geraten“,
daß ihre Revolution ein Werk der Priester und Jesuiten sei.
Gegenströmungen im Äußeren und nicht minder im Inneren.
,,So viel Blut soll vergeblich geflossen sein,“ schrie De Potter
wütend, als er sich mit seinen republikanischen Vorschlägen nicht
durchsetzte. Verschwand auch er von der Schaubühne, so fehlte