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Otto Gartellieri:
sie länger am Ruder bleiben konnte. Rogier trat mit den anderen
zurück, eine Regentschaft wurde unter Surlet de Chokier eingesetzt.
Auch jetzt vergingen wieder Monate, ehe der Kongreß zu einer neuen
Wahl schritt. Wie jetzt die Dinge lagen, erschien es Rogier als das
richtigste, nunmehr für den klugen und ehrgeizigen Prinzen Leopold
von Koburg zu wirken, „dem man im Grunde keine Krone, sondern
einen Streit mit Europa anbot“. Jede Verzögerung wurde von einer
neuen abgelöst. Als Leopold endlich gewählt war (am 4. Juni 1831),
machte er sein Jawort von der Annahme der XVIII Artikel ab-
hängig, welche die Londoner Konferenz am 24. Juni 1831 auf-
gestellt hatte. Obgleich sie für Belgien günstigere Bedingungen
enthielten als viele erwartet hatten, und wenn auch nicht See-
ländisch-Flandern, so doch Maestricht und Luxemburg in Aus-
sicht stellten, stießen sie im Kongreß auf den lebhaftesten Wider-
stand. Die über die „protocoliseurs“ in London angesammelte
Wut brach jetzt, mit elementarer Gewalt los und verschonte auch
die leitenden Staatsmänner der Heimat nicht. Die Minister und
ihre Parteigänger wurden als Verräter gebrandmarkt. Das Land
geriet in den größten Aufruhr. Revolten brachen aus, in Lüttich
ertönte wieder der Ruf: Vive la France! Von Paris gingen Unruh-
stifter nach Brüssel ab. Verwegen erhoben die Orangisten ihr
Haupt. Rogier, seit kurzem Gouverneur der Provinz Antwerpen,
konnte ihr Treiben vorzüglich verfolgen. Größte Umsicht war
am Platze. Mit Lebeau, dem damaligen Minister der Auswärtigen
Angelegenheiten, und dem anderen Freunde Devaux verlangte
auch Rogier im Kongresse die sofortige Annahme der XVIII
Artikel, die allein eine Wiederkehr der Oranier ausschlossen und alle
Pläne einer Teilung Belgiens zunichte machten. Am 7. Juli richtete
er einen zündenden Aufruf an seine Landsleute, die kleinen Mängel
zugunsten des großen Vorteils zu vergessen: es heiße den Erfolg
der Revolution aufs Spiel setzen, wolle man sich auf einen wag-
halsigen Krieg gegen Holland einlassen.
Die Realpolitiker trugen den Sieg davon: die XVIII Artikel
wurden angenommen (am 9. Juli), und kurz danach konnten die
Belgier ihrem neuen Landesherrn huldigen. Am 21. Juli 183:1
beschwor Leopold vor St. Jakob op Koudenberg (Saint-Jacques-
sur-Caudenberg) unter freiem Himmel die Verfassung.
Wenige Tage darauf begrüßte ihn Rogier in Antwerpen, wo
der König seine Rundreise durch das Land begann. Nach wie vor
bedrohten die Kanonen der Holländer von der Zitadelle her die
Otto Gartellieri:
sie länger am Ruder bleiben konnte. Rogier trat mit den anderen
zurück, eine Regentschaft wurde unter Surlet de Chokier eingesetzt.
Auch jetzt vergingen wieder Monate, ehe der Kongreß zu einer neuen
Wahl schritt. Wie jetzt die Dinge lagen, erschien es Rogier als das
richtigste, nunmehr für den klugen und ehrgeizigen Prinzen Leopold
von Koburg zu wirken, „dem man im Grunde keine Krone, sondern
einen Streit mit Europa anbot“. Jede Verzögerung wurde von einer
neuen abgelöst. Als Leopold endlich gewählt war (am 4. Juni 1831),
machte er sein Jawort von der Annahme der XVIII Artikel ab-
hängig, welche die Londoner Konferenz am 24. Juni 1831 auf-
gestellt hatte. Obgleich sie für Belgien günstigere Bedingungen
enthielten als viele erwartet hatten, und wenn auch nicht See-
ländisch-Flandern, so doch Maestricht und Luxemburg in Aus-
sicht stellten, stießen sie im Kongreß auf den lebhaftesten Wider-
stand. Die über die „protocoliseurs“ in London angesammelte
Wut brach jetzt, mit elementarer Gewalt los und verschonte auch
die leitenden Staatsmänner der Heimat nicht. Die Minister und
ihre Parteigänger wurden als Verräter gebrandmarkt. Das Land
geriet in den größten Aufruhr. Revolten brachen aus, in Lüttich
ertönte wieder der Ruf: Vive la France! Von Paris gingen Unruh-
stifter nach Brüssel ab. Verwegen erhoben die Orangisten ihr
Haupt. Rogier, seit kurzem Gouverneur der Provinz Antwerpen,
konnte ihr Treiben vorzüglich verfolgen. Größte Umsicht war
am Platze. Mit Lebeau, dem damaligen Minister der Auswärtigen
Angelegenheiten, und dem anderen Freunde Devaux verlangte
auch Rogier im Kongresse die sofortige Annahme der XVIII
Artikel, die allein eine Wiederkehr der Oranier ausschlossen und alle
Pläne einer Teilung Belgiens zunichte machten. Am 7. Juli richtete
er einen zündenden Aufruf an seine Landsleute, die kleinen Mängel
zugunsten des großen Vorteils zu vergessen: es heiße den Erfolg
der Revolution aufs Spiel setzen, wolle man sich auf einen wag-
halsigen Krieg gegen Holland einlassen.
Die Realpolitiker trugen den Sieg davon: die XVIII Artikel
wurden angenommen (am 9. Juli), und kurz danach konnten die
Belgier ihrem neuen Landesherrn huldigen. Am 21. Juli 183:1
beschwor Leopold vor St. Jakob op Koudenberg (Saint-Jacques-
sur-Caudenberg) unter freiem Himmel die Verfassung.
Wenige Tage darauf begrüßte ihn Rogier in Antwerpen, wo
der König seine Rundreise durch das Land begann. Nach wie vor
bedrohten die Kanonen der Holländer von der Zitadelle her die