Charles Rogier.
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Stadt: sie führten eine beredte Sprache. Eher als irgend jemand
es gedacht hätte, brach der Krieg von neuem aus. König Wil-
helm gefiel es, die XVIII Artikel nicht anzuerkennen. Er brach
die Waffenruhe und ließ seine Truppen in Belgien einmarschieren.
In dem „zehntägigen Feldzuge“ waren alle Vorteile auf seiner
Seite. Nur das sofortige Eingreifen Frankreichs verhinderte die
Einnahme Brüssels. So ruhmreich die Septemberkämpfe im Park
für die Belgier verlaufen waren, so kläglich versagte das schlecht
ausgerüstete und ungenügend geschulte Heer. Ein folgenschweres
Unglück für Belgien. Die Londoner Konferenz neigte jetzt. Holland
zu. Die neuen XXIV Artikel vom 14. Oktober waren viel un-
günstiger: Limburg und ein Teil von Luxemburg gingen verloren:
eine ungeheure Schuldenlast kam auf Belgien; die Schiffahrt auf
der Schelde wurde gefesselt. Vae Victis!
Wiederum eine schwere Entscheidung. Lehnte der Kongreß
ab, so drohte von neuem ein gänzlich aussichtsloser Krieg. Sogar
England machte Miene, mit den Gegnern zu gehen. Neue heftige
Kämpfe durchtobten das Land. Diesmal wollte auch Rogier von
dem Vertrage (15. November 1831) nichts wissen und stimmte
dagegen. Später sah auch er ein, daß jeder Widerstand vergeblich
war, daß Belgien sich Europa fügen mußte. Am 4. April 1839
kam es zur endgültigen Abstimmung. Auch jetzt die größte
Erregung, die Abgeordneten in hellem Aufruhr. Gendebien don-
nerte in alle Welt hinaus: „Non, trois Cent quatre-vingt mille fois
non, pour trois Cent quatre-vingt mille Beiges que vous sacrifiez
ä la peur“. Rogier gehörte zu den „Furchtsamen“, die Ja sagten.
Während der acht Jahre, die es noch dauerte, bis sich die
Revolution vollends durchsetzte und auch von König Wilhelm
anerkannt wurde, wurden auch an Rogier hohe Ansprüche gestellt.
Es hieß das Land im Innern organisieren, ihm nach außen seine
Stellung im europäischen Konzert erwerben. Neben der gesetz-
gebenden Tätigkeit läuft dauernd die diplomatische einher. Zu-
nächst dominiert die auswärtige Politik und beeinflußt das ganze
Leben des werdenden Staates. Der Sturm, welchen der Vertrag
vom 15. November 1831 entfacht hatte, riß das Ministerium db
Muelenaere fort. General Goblet, der geschickte Unterhändler, der
den Festungsvertrag (vom 14. Dezember 1831) zustande gebracht
hatte, trat an die Spitze des neuen Kabinetts. Mit Mühe und Not
fand sich ein Staatsminister, der gemäß der Verfassung das Er-
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Stadt: sie führten eine beredte Sprache. Eher als irgend jemand
es gedacht hätte, brach der Krieg von neuem aus. König Wil-
helm gefiel es, die XVIII Artikel nicht anzuerkennen. Er brach
die Waffenruhe und ließ seine Truppen in Belgien einmarschieren.
In dem „zehntägigen Feldzuge“ waren alle Vorteile auf seiner
Seite. Nur das sofortige Eingreifen Frankreichs verhinderte die
Einnahme Brüssels. So ruhmreich die Septemberkämpfe im Park
für die Belgier verlaufen waren, so kläglich versagte das schlecht
ausgerüstete und ungenügend geschulte Heer. Ein folgenschweres
Unglück für Belgien. Die Londoner Konferenz neigte jetzt. Holland
zu. Die neuen XXIV Artikel vom 14. Oktober waren viel un-
günstiger: Limburg und ein Teil von Luxemburg gingen verloren:
eine ungeheure Schuldenlast kam auf Belgien; die Schiffahrt auf
der Schelde wurde gefesselt. Vae Victis!
Wiederum eine schwere Entscheidung. Lehnte der Kongreß
ab, so drohte von neuem ein gänzlich aussichtsloser Krieg. Sogar
England machte Miene, mit den Gegnern zu gehen. Neue heftige
Kämpfe durchtobten das Land. Diesmal wollte auch Rogier von
dem Vertrage (15. November 1831) nichts wissen und stimmte
dagegen. Später sah auch er ein, daß jeder Widerstand vergeblich
war, daß Belgien sich Europa fügen mußte. Am 4. April 1839
kam es zur endgültigen Abstimmung. Auch jetzt die größte
Erregung, die Abgeordneten in hellem Aufruhr. Gendebien don-
nerte in alle Welt hinaus: „Non, trois Cent quatre-vingt mille fois
non, pour trois Cent quatre-vingt mille Beiges que vous sacrifiez
ä la peur“. Rogier gehörte zu den „Furchtsamen“, die Ja sagten.
Während der acht Jahre, die es noch dauerte, bis sich die
Revolution vollends durchsetzte und auch von König Wilhelm
anerkannt wurde, wurden auch an Rogier hohe Ansprüche gestellt.
Es hieß das Land im Innern organisieren, ihm nach außen seine
Stellung im europäischen Konzert erwerben. Neben der gesetz-
gebenden Tätigkeit läuft dauernd die diplomatische einher. Zu-
nächst dominiert die auswärtige Politik und beeinflußt das ganze
Leben des werdenden Staates. Der Sturm, welchen der Vertrag
vom 15. November 1831 entfacht hatte, riß das Ministerium db
Muelenaere fort. General Goblet, der geschickte Unterhändler, der
den Festungsvertrag (vom 14. Dezember 1831) zustande gebracht
hatte, trat an die Spitze des neuen Kabinetts. Mit Mühe und Not
fand sich ein Staatsminister, der gemäß der Verfassung das Er-