Agatharchidea.
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hat. Freilich sind dessen eigene Arbeiten leider wenig brauchbar.
Denn einmal stützen sie sich zum Teil auf zweifelhafte Zuweisun-
gen diodorischer Partien an Agatharchides, sodann, hat er eine
unglückliche Neigung, selbst die natürlichsten Sprachwendungen
terminologisch zu nehmen und somit in die Agatharchidea mehr-
fach eine dogmatische Stellungnahme zu esoterischen Schulfragen
hineinzudeuten, von der keine Rede sein kann, vollends dann
nicht, wenn er der Verfasser des Cocl. 249 war. Richtig ist aber
selbstverständlich seine Ansicht, daß an Agatharchides der Em-
pirismus alexandrinischer Wissenschaft nicht wirkungslos vorüber-
geglitten war. Seine Skepsis gegen theoretische Aetiologien, sein
Dringen auf die Evidenz des Tatsächlichen (ένάργεια) erklärt sich
von da aus vollkommen, steht ihm aber, was nicht übersehen
werden darf, auch als Peripatetiker durchaus wohl an. Es ist eben
die natürliche Weiterentwicklung gleichartiger aristotelischer Grund-
richtungen. Wäre er hierin epikureisch beeinflußt, so würde im
Gegenteil, wie wir schon S. 18 bemerkten, seine Skepsis gegen die
Ätiologien der Naturphilosophen unverständlich sein. Denn in
Epicurs φυσιολογία ist es doch so, daß das Phänomen selbst
und seine ένάργεια viel weniger Teilnahme findet, als die Frage
seiner natürlichen Erklärbarkeit, und jede solche Erklärung, auch
mehrere zur Auswahl, sind willkommen, wenn sie nur dem NVahn-
befreiungsstreben des epikureischen Rationalismus dienen. Wir
sahen aber und werden es weiter bestätigt finden, daß sowohl
der benannte Agatharchides wie der namenlose Verfasser des
God. 249 über eine derartige Betätigung des Rationalismus sehr
anders urteilen.
Freilich scheinen auf den ersten Blick der Anhänger der
ένάργεια und der Pythagorasjünger sich schlecht miteinander zu
vertragen. Wir brauchen indessen in unserem Fall die Tatsache
kaum heranzuziehen, daß auch sonst, von Platos Liebe zur Mathe-
matik bis in die neueste Zeit hinein, gar nicht so selten die aus-
gesprochenste Neigung zu wissenschaftlicher Exaktheit und nahezu
mystische Antriebe in derselben Seele nebeneinander wirksam
sind. Hier haben wir vor allem die zuverlässige Angabe, daß
Agatharchides nach Phot. cocl. 213 (171 a 9) ύπογραφεύς καί
αναγνώστης des Heraclides Lembus gewesen ist, von dem fest-
steht, daß er sich, und zwar mehrfach, literarisch mit Pythagoras
beschäftigte. Seit dem Pap. Oxyrh. 11 Nr. 1367 mit dem Titel
επιτομή των Έρμίππου περί νομοΈετών καί επτά σοφών καί
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hat. Freilich sind dessen eigene Arbeiten leider wenig brauchbar.
Denn einmal stützen sie sich zum Teil auf zweifelhafte Zuweisun-
gen diodorischer Partien an Agatharchides, sodann, hat er eine
unglückliche Neigung, selbst die natürlichsten Sprachwendungen
terminologisch zu nehmen und somit in die Agatharchidea mehr-
fach eine dogmatische Stellungnahme zu esoterischen Schulfragen
hineinzudeuten, von der keine Rede sein kann, vollends dann
nicht, wenn er der Verfasser des Cocl. 249 war. Richtig ist aber
selbstverständlich seine Ansicht, daß an Agatharchides der Em-
pirismus alexandrinischer Wissenschaft nicht wirkungslos vorüber-
geglitten war. Seine Skepsis gegen theoretische Aetiologien, sein
Dringen auf die Evidenz des Tatsächlichen (ένάργεια) erklärt sich
von da aus vollkommen, steht ihm aber, was nicht übersehen
werden darf, auch als Peripatetiker durchaus wohl an. Es ist eben
die natürliche Weiterentwicklung gleichartiger aristotelischer Grund-
richtungen. Wäre er hierin epikureisch beeinflußt, so würde im
Gegenteil, wie wir schon S. 18 bemerkten, seine Skepsis gegen die
Ätiologien der Naturphilosophen unverständlich sein. Denn in
Epicurs φυσιολογία ist es doch so, daß das Phänomen selbst
und seine ένάργεια viel weniger Teilnahme findet, als die Frage
seiner natürlichen Erklärbarkeit, und jede solche Erklärung, auch
mehrere zur Auswahl, sind willkommen, wenn sie nur dem NVahn-
befreiungsstreben des epikureischen Rationalismus dienen. Wir
sahen aber und werden es weiter bestätigt finden, daß sowohl
der benannte Agatharchides wie der namenlose Verfasser des
God. 249 über eine derartige Betätigung des Rationalismus sehr
anders urteilen.
Freilich scheinen auf den ersten Blick der Anhänger der
ένάργεια und der Pythagorasjünger sich schlecht miteinander zu
vertragen. Wir brauchen indessen in unserem Fall die Tatsache
kaum heranzuziehen, daß auch sonst, von Platos Liebe zur Mathe-
matik bis in die neueste Zeit hinein, gar nicht so selten die aus-
gesprochenste Neigung zu wissenschaftlicher Exaktheit und nahezu
mystische Antriebe in derselben Seele nebeneinander wirksam
sind. Hier haben wir vor allem die zuverlässige Angabe, daß
Agatharchides nach Phot. cocl. 213 (171 a 9) ύπογραφεύς καί
αναγνώστης des Heraclides Lembus gewesen ist, von dem fest-
steht, daß er sich, und zwar mehrfach, literarisch mit Pythagoras
beschäftigte. Seit dem Pap. Oxyrh. 11 Nr. 1367 mit dem Titel
επιτομή των Έρμίππου περί νομοΈετών καί επτά σοφών καί