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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0071
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Studien über Rudolf von Ems.

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beleuchtenden Worten läßt er den anbrechenden Morgen die Arbeit
des neuen Tages einleiten, die Nacht sie abschließen, mit Zügen die
zugleich stimmungerweckend wirken und ein technisches Mittel
zum Übergang zu einer anderen Szene bilden, z. B. do begundez
also sere tagen, daz diu sunne durch diu wölken brach Willeh. 289, 2f.
Zuweilen ergänzt er die Angabe des Tagesbeginnes durch Erwäh-
nung des ersten Tagewerkes, des Messesingens, wie an dieser Stelle:
do sanc man messe got und in 289,5 und hier läßt er auch dann gleich
die Bereitung des Essens folgen 289, 7.
Derartige Zeitbestimmungen wendet nun Rudolf als Ein-
leitungs- oder Übergangsformeln sehr häufig an. Er bildet sie
nach dem Muster von Wolframs Beispielen, das zeigt sich an der
großen Ähnlichkeit in der Auffassung und im Ausdruck. Bei zwei
prägnanten Stellen ist die Übereinstimmung fast wörtlich: g. Gerh.
5064 = Parz. 196, 10 und Weltchron. 4471 f. = Parz. 32, 24h1 Er
erweitert die Motive gern, liebt die ausgeführteren Darstellungen
mit tac und naht, messe, gotes ampt, segen, ezzen, imbiz (pitit mengier
Willeh.), aber an Stärke der Phantasie erreicht er Wolfram nicht,
vgl. g. Gerh. 723. 2527-2537. 3537-3541. 3565. 3595. 4931-4948.
5776-5779. 5965 f. 5976-5987. 6027-6032. Im Barlaam treten
diese Zeitbestimmungen mehr zurück (messe und ezzen fehlen hier
als Begleitbestandteile, weil der Stoff dazu keine Gelegenheit gab):
68, 24-27. 200, lOf. 30. 202,13Ü. 346, 31. 391,1-7. Dagegen ist der
Willehalm damit überfüllt (s. unten „Rudolf und der schwäbische
Dichterkreis“). Innerhalb der Formeln besteht wieder ein Unter-
schied im Gehalt, in den einen ist bloß die Naturbestimmung
enthalten oder sie überwiegt doch, die andern, in denen vom ezzen
und imbiz die Rede ist, gehen mehr in den Realismus des täglichen
Lebens über. Die letztere Richtung hat im Willehalm bedeutend
S. 94—99; Otto Unger, Die Natur bei Wolfram v. Eschenbach, Diss. Greifs-
wald 1912, bes. S. 29. 35f. 39ff.; Wilh. Ganzenmüller, Das Naturgefühl
im Mittelalter, S. 286; Singer S. 34. Die Verwendung des Tageszeitenmotivs,
besonders als Mittel in der epischen Technik, hat das Mittelalter von Virgil
gelernt. Die christlich-lateinischen Dichter haben reichlich davon Gebrauch
gemacht, bes. Juvencus, Sedulius, Ekkehard hat im Waltharius (277. 347 ff.
402. 428. 436. 1130ff. 1188ff., Althof, Waltharii Poesis 2. Teil: Kommentar
S. 98) direkt aus Virgil geschöpft; vgl. Ganzenmüller im Personenregister
S. 298ff. und im Text bes. S. 77. 122. 123 ff. 167. 183 ff.; Gertrud Stock-
meyer, Über Naturgefühl in Deutschland im 10. und 11. Jhd., S. 20—-28.
Über den Einfluß der Hymnenpoesie auf die Morgenschilderung in Wolframs
Tageliedern s. Roethe, Anz. f. d. A. 16, 95 f.
1 Leitzmann, Ztschr. f. d. Phil. 43, 302f. und Beitr. 42, 504.
 
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