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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0107
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Studien über Rudolf von Ems.

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stoff gebotene Maß erweitert, in der Einschaltung solcher reli-
giösen Episoden zeigt sich sein frommer, für theologische Fragen
interessierter Sinn. In dem dem Kaiser in den Mund gelegten
Gebet 300—484 entwickelt er zuerst 300—412 die Grundlage des
Dogmas, die Trinität, und zwar ähnlich wie in der Einleitung
zum Barlaam: die drei Personen 300—324; der Vater (gewalt)
ist der Schöpfer 325—368; der Sohn (wisheit) ist der rat, das
Wort durch das Gott die Welt geschaffen 369—378; der heilige
Geist (güete, diemüete) 379—412, verleiht der Schöpfung das Leben,
und zwar in der dreifachen (aristotelischen) Abstufung des Seelen-
lebens (das „dreifältige Leben“ 389), wonach den Pflanzen nur
Wachstum zukommt, aber kein verstau (hier = Empfindung,
Sinnentätigkeit, die vegetative Seele) 391—396; den Tieren Be-
wegung (vliezent, vliegent unde gdnt) und sinnliche Wahrnehmung,
aber ohne das Vermögen, diese verständig (vernünftig) äußern zu
können (sich verstau, die sensitive Seele) 397—402; den Menschen
die Vernunft (vernunst, die rationale, vernünftige Seele) 403—408.
Auf die Erklärung der Trinität folgt die Heilsgeschichte
413—446, geteilt in Sündenfall 413—416 und Erlösungswerk
Christi 417—446. Den Schluß bildet ein Bittgebet an Gott um
Mitteilung, welchen Ion er für seine arbeit erhalten werde. Das
ganze Gebet ist aufgebaut nach den vier Teilen einer Summa
Theologiae (I. Dreieinigkeit, II. und III. die Heilsgeschichte, be-
stehend aus Sündenfall und Erlösung; dem IV. Teil einer Summe
entspricht hier das Bittgebet).
Eine einzelne, zur Sakramentenlehre gehörige Frage behandelt
Rudolf in der Mahnung des Erzbischofs an den jungen Gerhard
4329—4412: die Rede ist eine Predigt über die Ehe nach der
Pericope Matth. 19,6: Was Gott zusammengefügt hat, das soll
der Mensch nicht trennen.
Die Legende von Barlaam und Josaphat ist ein Gegen-
stückzu der erbaulichen Erzählung vom guten Gerhard. Gerhard
und Josaphat, beide sind mit Gott vereint, Kinder Gottes, Ange-
hörige des Gottesstaates auf Erden, aber Gerhard ist der in der
Welt lebende Mensch, er hat die Laienmoral, indem er reinen
Herzens Gott dienend doch auch dem Irdischen sein ihm zu-
kommendes Recht läßt; Josaphat dagegen ist der ganz in Gott
sich versenkende Mönch, der Heilige, der durch Flucht aus der
Welt und durch Abtötung des Menschlichen in der Askese die
 
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